Die Gegner der Waffenlobby durften sich in den USA in der vergangenen Woche über zwei Erfolge freuen, wenn auch aus einem traurigen Anlass: In Las Vegas starben 58 Menschen durch die Schusswaffen eines Attentäters – so viele wie noch nie in der jüngeren US-Geschichte. Das Attentat hat eine erneute Debatte über strengere Waffengesetze in den USA befeuert.

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Polizei und Rettungskräfte nach dem Anschlag in Las Vegas.
Foto: Steve Marcus, Reuters

Demokratin fordert Verbot von "Bump-Stocks"

Am Dienstag legte der Senat die Abstimmung über ein Gesetz auf Eis, das den Verkauf und den Besitz von Schalldämpfern erlaubt hätte. Einen Tag darauf brachte die demokratische Senatorin Dianne Feinstein einen Gesetzesentwurf ein, der auf das Verbot von sogenannten "Bump-Stocks" abzielt. Ein Bump-Stock ist eine Vorrichtung, die es ermöglicht, halbautomatische Gewehre wie Maschinengewehre abzufeuern. Halbautomatische Gewehre sind in den meisten US-amerikanischen Staaten legal, werden sie durch einen Bump-Stock umgebaut, können sie mehrere hundert Schuss pro Minute abgeben. Auch der Attentäter von Las Vegas, Stephen Paddock, verwendete solche Vorrichtungen.

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Senatorin Dianne Feinstein erklärt Bump-Stocks, eine Vorrichtung, durch die halbautomatische Gewehre wie Maschinengewehre abfeuern.
Foto: Chip Somode, APA/AFP/Getty Images/

Republikaner zeigen sich gesprächsbereit

Gesetze zur Verschärfung von Waffengebrauch scheitern üblicherweise an einem mehrheitlich republikanischen Senat. Am Mittwoch kündigte jedoch eine Gruppe republikanischer Abgeordneter an, den Vorschlag von Dianne Feinstein zu unterstützen. Und auch die einflussreiche Waffenlobby National Rifle Association (NRA) zeigte sich offen für schärfere Regelungen.

Schon 2012, nach dem Anschlag auf die Grundschule Sandy-Hook in Connecticut, als 20 Kinder und sechs Erwachsene von einem Attentäter mit Sturmgewehr erschossen worden waren, zeigten sich republikanische Abgeordnete bereit, für eine Verschärfung des Waffenrechts einzutreten. Doch die Aufregung um das Massaker flaute ab, und im Senat fand sich keine Mehrheit für eine Änderung der Gesetze.

Laut der Vereinigung "Everytown for Gun Safety", die sich für strengere Waffengesetze einsetzt, sterben jährlich etwa 12.000 US-Amerikaner durch Schusswaffen. Die Zahl der Massenschießereien variiert in Statistiken von durchschnittlich einer pro Monat bis zu 7,5 pro Woche. Versuche, das Waffenrecht zu reformieren, scheitern in den USA regelmäßig. Nicht nur die Ablehnung der Republikaner erschwert Gesetzesänderungen, auch die komplizierten Regeln des US-amerikanischen Föderalismus und die Verfassung der Vereinigten Staaten stärken den zum Großteil unkontrollierten Schusswaffenbesitz.

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Plakat der Waffenlobby, der National Rifle Association (NRA), bei einer Waffenshow in Las Vegas, 2013.
Foto: Julie Jacobson, AP

Die Verfassung schützt das Recht auf Waffenbesitz

Die Verfassung der USA wurde 1791 um die Bill of Rights ergänzt, eine Reihe von Verfassungszusätzen, deren zweiter Artikel jedem Bürger das Recht auf den Besitz und das Tragen einer Waffe zusichert. Politiker und Vertreter der NRA berufen sich auf diesen Artikel. Um die Regelung aufzuheben, braucht es eine Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Kongresses und die Zustimmung von 38 Bundesstaaten.

2008 entschied der Supreme Court, das höchste Gericht der USA, dass auch die einzelnen Bundesstaaten in ihrer Gesetzgebung an den Verfassungszusatz gebunden sind. Das Höchstgericht hob dadurch ein Gesetz auf, das unter anderem den Besitz von Pistolen in Washington, D.C. untersagte. Landesweit sank jedoch die Zahl der Befürworter eines kompletten Waffenverbots in den vergangenen fünfzig Jahren um beinahe zwei Drittel.

Nur 23 Prozent der US-Amerikaner wollen ein komplettes Verbot von Schusswaffen.
Gangster wie Al Capone provozierten in den 1930er-Jahren strengere Waffengesetze in den USA.
Foto: The Associated Press

Bereits Roosevelt bemühte sich um Kontrollen

Trotz der Verankerung in der Verfassung gab es in der Geschichte der USA unzählige, zum Teil erfolgreiche Versuche, Verkauf und Besitz von Schusswaffen einzuschränken. Nach dem Ersten Weltkrieg, während der Tommy-Gun-Ära, der Zeit von Maschinengewehren und Gangstern wie Al Capone und Pretty Boy Floyd, häufte sich bewaffnete Gewalt in den USA. Präsident Franklin D. Roosevelt initiierte 1934 und 1938 jeweils ein Gesetz zur Kontrolle des Waffenverkaufs, Maschinengewehre und abgesägte Schrotflinten wurden untersagt. Ein Verstoß dagegen wurde mit einer Strafe von 200 Dollar geahndet.

Der Verkauf von halb- und vollautomatischen Gewehren war in den USA von 1994 bis 2004 untersagt. Die Gültigkeit des Gesetzes, das die Waffen verbot, hätte verlängert werden müssen, was bisher nicht geschah. Nur wenige Staaten haben seither halbautomatische Waffen verboten.

Keine Waffen an Gewaltgefährdete

Bereits 1968 wurde, als Reaktion auf die Ermordung von Martin Luther King sowie Robert F. Kennedy, der Verkauf von Waffen an Kriminelle, psychisch kranke und drogenabhängige Menschen untersagt. Ein funktionierendes Kontrollsystem fehlte jedoch zu diesem Zeitpunkt.

1993 wurde mit dem "Brady Handgun Violence Prevention Act" ein System eingeführt, durch das Käufer vor Aushändigung der Waffe auf die Kriterien Kriminalität, Drogensucht und psychische Erkrankung hin überprüft werden. Diese Nachforschungen, sogenannte Background Checks, muss seither jeder lizenzierte Waffenhändler durch das FBI durchführen lassen. Der Brady Act wurde nach James Brady benannt. Der ehemalige Pressesprecher des Weißen Hauses wurde bei einem Anschlag auf Ronald Reagan 1981 schwer verwundet und war danach querschnittgelähmt. Brady, ein republikanischer Politiker, setzte sich in den folgenden Jahren für die Einschränkung der Waffenfreiheit ein.

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James Brady und Bill Clinton bei der Unterzeichnung des "Brady Handgun Violence Prevention Act" 1993.
Foto: Gary Hershorn, Reuters

Privatverkäufe und Waffenshows als Schlupfloch

Privatverkäufe sind vom Brady Act jedoch nicht erfasst. Gegner der Waffenlobby sehen darin ein Schlupfloch, da viele Waffenverkäufe privat, im Internet stattfinden. Eines der Hauptanliegen des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama war es, die Hintergründe von Waffenkäufern strenger zu kontrollieren und Background Checks auf private Verkäufe und Waffenshows auszuweiten. Sein Vorschlag scheiterte jedoch am Widerstand des Kongresses.

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Barack Obama bei einer Rede zu dem Attentat in der Sandy-Hook Schule 2012.
Foto: Larry Downing, Reuters

Stattdessen schaffte Obama per Anordnung eine Regelung, durch die Personen, denen die selbstständige Verwaltung ihrer Finanzen entzogen wurde, vom Waffenkauf ausgeschlossen wurden. Die Sozialversicherungsbehörde SSA wurde verpflichtet, Informationen über psychisch beeinträchtigte Kunden dem Background-Check-System des FBI zu überlassen. Gegner der Regelung bezeichneten diese als diskriminierend. Noch im ersten Monat nach der Amtsübernahme durch Donald Trump wurde die Anordnung aufgehoben.

Connecticut verschärfte Waffengesetze

In einigen Bundesstaaten wurden strengere Background Checks verwirklicht. Fünfzehn Staaten haben die Kontrollpflicht der Verkäufer auf private Verkäufe ausgeweitet. Einer dieser Staaten ist Connecticut, wo 2012 der Anschlag auf die Grundschule Sandy-Hook stattfand.

Nach dem Attentat führte Connecticut eines der strengsten Waffengesetze der USA ein. Nicht nur Background Checks wurden ausgeweitet, auch halbautomatische Gewehre wurden verboten und das Alter für Waffenerwerb von 18 auf 21 Jahre erhöht. Zudem ist Connecticut der erste Staat, in dem es ein Register über Personen gibt, die wegen Waffendelikten vorbestraft sind.

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Der Vater eines Opfers des Sandy-Hook-Attentats bei einer Trauerfeier anlässlich des Anschlags in Las Vegas.
Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/SPENCER PLA

Strengere Waffengesetze sind möglich

Eine Klage gegen das Gesetz wurde vom Supreme Court abgewiesen. Eine Verfassungsverletzung liegt laut dem Gericht nicht vor, wenn ein Gesetz bestimmte Waffengattungen verbietet, den Verkauf an Verbrecher und Menschen mit mentaler Beeinträchtigung unterbinden will oder Waffen an öffentlichen Plätzen untersagt. Es gibt also Möglichkeiten, den Waffengebrauch einzuschränken, ohne die Verfassung zu verletzen.

Neben Connecticut sind halbautomatische Waffen in Kalifornien, Maryland, Massachusetts, New Jersey und New York verboten, und in vielen Staaten wurde das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit stark eingeschränkt.

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US-Präsident Donald Trump als Redner beim National Rifle Association Leadership Forum, 28. April 2017.
Foto: Mike Stewart, AP

Waffen am Campus erlaubt

In anderen Bundesstaaten, vor allem im Süden und im Landesinneren der USA, werden die Waffengesetze jedoch gelockert. Viele Bundesstaaten legalisierten in den vergangenen Jahren das Tragen von Waffen in Bildungseinrichtungen. In Georgia und Kansas ist das Mitbringen von Waffen in universitäre Einrichtungen seit vergangenem Juli erlaubt.

In 25 Staaten ist das offene Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit ohne Genehmigung oder Lizenz gestattet. Einer davon ist Nevada, der Bundesstaat, in dem sich das Attentat von Las Vegas in der Nacht auf Montag ereignete.

Gesetzesverschärfung in Nevada nicht umgesetzt

Im November 2016 entschied die Bevölkerung Nevadas in einem Referendum, die Waffengesetze zu verschärfen. Die Background Checks sollten auf private Verkäufe ausgeweitet werden. Diese Entscheidung wurde bisher nicht umgesetzt. In Nevada gelten noch die alten Gesetze.

Diese Regelungen gehören laut der Anti-Waffen-Vereinigung Brady Campaign zu den lockersten in den USA. In Nevada sind halbautomatische Waffen erlaubt. Es gibt keine Beschränkung für die Kapazität der Magazine, ein Bump-Stock kann problemlos erworben werden.

Missouri hat 2007 die Background Checks für Privatverkäufe abgeschafft. Die Mordrate durch Feuerwaffen ist seither laut Brady Campaign um 25 Prozent gestiegen.

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Eine Waffenshow in Las Vegas 2013.
Foto: Julie Jacobson, AP

Weniger Waffengewalt in der Schweiz

Obwohl eine Regelung für die gesamten USA wünschenswerter wäre, haben auch die einzelstaatlichen Regelungen eine große Wirkung, erklärt die Organisation Everytown auf ihrer Homepage. Kritische Stimmen mahnen, dass sich Massenschießereien und Attentate nicht nur auf die Waffengesetze der jeweiligen Staaten zurückführen lassen.

Auch in anderen Ländern wie beispielsweise der Schweiz ist der Zugang zu Waffen leicht, die Todesrate durch Feuerwaffen dort aber nicht annähernd so hoch wie in den USA. In den Vereinigten Staaten sterben laut einer Studie aus dem Jahr 2013 jährlich 10,3 von 100.000 Einwohnern durch Schusswaffen. In der Schweiz sind es 3,8 Menschen pro 100.000 Einwohner. Daher sehen viele in den Massenschießereien der USA ein gesellschaftliches Problem.

BBC News

Obamas größte Frustration

Für die Gegner der Waffenlobby ist die Verschärfung der Waffengesetze dennoch unverzichtbar. In einem Interview am Ende seiner Präsidentschaft sagte Barack Obama dem Sender BBC, dass sein Scheitern an den Waffengesetzen die größte Frustration seiner Amtszeit gewesen sei.

Obamas Nachfolger Donald Trump versprach schon im Wahlkampf, als Präsident keine Verschärfung der Waffengesetze anzustreben. Nachdem 2015 in einer Pariser Konzerthalle 90 Menschen Opfer eines Attentats geworden sind, twitterte Trump: "Ist es nicht interessant, dass so etwas in Paris passiert ist, in einem Land mit den strengsten Waffengesetzen?" (Anastasia Hammerschmied, 8.10.2017)