Kern ist in der Kanzlerfrage auf 28 Prozent zurückgefallen, Kurz liegt stabil bei 33 Prozent. Strache hält in der Kanzlerfrage bei 16 Prozent.

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Wien – Wer wird nach der Wahl als Sieger dastehen? Das ist nicht nur eine Frage, die Wahlforschern vor der Wahl gestellt wird – es ist auch eine Frage, die der STANDARD durch das Linzer Market-Institut an mehr als 800 Wahlberechtigte herangetragen hat.

Die Erwartungshaltung ist ziemlich eindeutig: 74 Prozent meinen, dass die Liste Kurz am Wahlabend als Sieger bezeichnet wird (nur elf Prozent glauben das Gegenteil). Weil aber in Österreich jeder, der bei einer Wahl deutliche Zugewinne erzielt, von den Medien als "Sieger" bezeichnet wird, trauen 64 Prozent der FPÖ zu, als "Wahlsieger" zu gelten (ebenfalls elf Prozent glauben, die FPÖ könnte "Wahlverlierer" sein). Mit 40 Prozent liegt Peter Pilz überraschend an dritter Stelle. Der SPÖ wird in dieser Umfrage – klar vor allen anderen Parteien – von 72 Prozent die Marke "Wahlverlierer" angeheftet, nur zehn Prozent glauben an einen Wahlsieg der Roten. Das gilt auch für deren eigene Wählerschaft – von den erklärten SPÖ-Wählern glaubt nur ein knappes Drittel an einen Wahlsieg, 55 Prozent haben sich mit der Niederlage mehr oder weniger abgefunden.

Die Umfrage, die in dieser Woche nach Bekanntwerden der Affäre um die rote Schmutzkübelkampagne – aber vor den aktuellen Entwicklungen samt gegenseitiger Klagsdrohungen – durchgeführt wurde, ergibt, dass die SPÖ auf den dritten Platz zurückfallen könnte. Anfang September hatte Bundeskanzler Christian Kern in der Kanzlerfrage wieder zu Sebastian Kurz aufgeschlossen, auch die Daten der SPÖ hatten sich (allerdings nicht signifikant) gebessert – ein Aufholen bis zum Wahltag schien immerhin möglich.

Das hält Market-Wahlforscher David Pfarrhofer inzwischen für sehr unwahrscheinlich: "Wir haben natürlich zu einer Zeit der Skandalisierung gemessen – aber es ist sehr auffällig, wie wenig sich die Wahlberechtigten derzeit zur SPÖ bekennen. Dasselbe gilt auch für die Bereitschaft, Kern zu wählen, wenn man den Kanzler direkt wählen könnte. Da kommt der Amtsinhaber nur noch auf 28 Prozent – sein persönlich schlechtester Wert. Herausforderer Kurz allerdings hält mit 33 Prozent sein hohes Niveau."

Gefahren für die ÖVP

Pfarrhofer: "Die große Gefahr für die ÖVP ist jetzt, dass alle annehmen, dass sie ohnehin schon gewonnen habe – das kann zu einer starken Demobilisierung führen. Wenn die Funktionäre zu siegessicher sind und glauben, dass sie in den letzten Tagen nicht mehr laufen müssen, oder wenn die Wähler sagen: 'Die ÖVP gewinnt eh, da kann ich diesmal die Neos oder die Grünen wählen', dann kann das für die Volkspartei eine böse Überraschung geben."

Umgekehrt könne es sein, dass die SPÖ Wähler zurückgewinnt, die eigentlich schon abgewandert waren – nun aber nicht wollen, dass die Kanzlerpartei auf den dritten Platz zurückfällt: "In der Kanzlerfrage punktet Kern ja auch bei erklärten Wählern der Grünen, der Neos und von Peter Pilz. Diese Stimmen könnte er quasi persönlich zurückholen."

Vorläufig sieht es aber folgendermaßen aus:

  • ÖVP: 33 Prozent – gleich viel wie Kurz in der Kanzlerfrage. Bei einer statistischen Schwankungsbreite von 3,5 Prozentpunkten (das heißt, die ÖVP könnte auch knapp unter 30 oder sogar über 36 Prozent landen) ist auch der Vorsprung auf den zweiten Platz deutlich.
  • FPÖ: 25 Prozent. Der zweite Platz der Freiheitlichen ist statistisch nicht klar abgesichert, aber nach der Hochrechnung im Bereich des Möglichen. Die FPÖ liegt damit deutlich über dem Wert von 16 Prozent, den Heinz-Christian Strache in der Kanzlerfrage bekommt.
  • SPÖ: 23 Prozent sind deutlich unter Kerns 28 Prozent in der Kanzlerfrage. Statistisch nicht ausgeschlossen ist, dass die SPÖ die FPÖ noch einholt. Und es ist ja noch eine Woche Zeit.
  • Liste Pilz: 6 Prozent. Aus Sicht von Market das überraschendste Ergebnis. Pfarrhofer sieht den vierten Platz auch dadurch untermauert, dass Pilz in der Kanzlerfrage etwas besser dasteht als die Chefs der anderen Kleinparteien.
  • Neos: 5 Prozent – die Pinken punkten mit drei Prozent für ihren Parteichef Matthias Strolz in der Kanzlerfrage und dürften ziemlich sicher den Wiedereinzug in den Nationalrat schaffen.
  • Grüne: 5 Prozent – ein sehr schwacher Wert für die Partei, die bei früheren Wahlen schon nach der 15-Prozent-Marke geschielt hat. Ulrike Lunacek kommt als Spitzenkandidatin bei der Kanzlerfrage auf zwei Prozent.

Alle anderen kleinen Parteien sind nach den von Market erhobenen Daten beziehungsweise deren Hochrechnung chancenlos. (Conrad Seidl, 6.10.2017)