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Um Rex Tillersons berufliche Zukunft als US-Außenminister war es schon einmal besser bestellt.

Foto: Reuters / Jonathan Ernst

Es ist schon bemerkenswert, mit wie vielen Komplimenten Rex Tillerson überhäuft wird. Wenn europäische Kollegen des amerikanischen Außenministers nach Washington kommen und nach Begegnungen im State Department ein bisschen plaudern, klingt es, als stünde da ein Fels in der Brandung. Ein Stabilitätsfaktor im Gefüge einer chronisch instabilen Regierung, stoisch und verlässlich, Mister Augenmaß, so hört es sich an. Das alles nützt dem früheren Ölmanager freilich nur wenig, denn der Mann, ohne dessen Rückendeckung er nichts ausrichten kann, macht ihm keine Komplimente. Im Gegenteil, Donald Trump findet großen Gefallen daran, seinen Chefdiplomaten in aller Öffentlichkeit abzukanzeln.

Glaubt man Insidern, dann ist es das Vorspiel zur Entlassung, auch wenn es sich noch wochen- oder gar monatelang hinziehen mag. Trump könne nicht mit Tillerson, fasst es die in aller Regel gut informierte Online-Plattform Axios zusammen. Das Verhältnis zwischen beiden sei irreparabel belastet. Trump, hieß es am Freitag, spiele mit dem Gedanken, Tillerson gegen Mike Pompeo auszutauschen, einen weit rechts stehenden Republikaner aus Kansas, den er im Januar zum CIA-Direktor befördert hatte.

Trump fehlt der Respekt

Nun wäre es nicht das erste Mal, dass es kriselt zwischen einem US-Außenminister und seinem Staatschef. Colin Powell hatte nie das Ohr George W. Bushs. Alexander Haig drohte Ronald Reagan mehrfach mit seinem Rücktritt und war überrascht, als Reagan irgendwann nicht mehr widersprach. John Kerry fühlte sich bisweilen übergangen von einem Weißen Haus, in dem Barack Obama mit seinen jungen Beratern Außenpolitisches oft bis ins Kleinste managen wollte.

Bei Tillerson und Trump liegen die Dinge anders. Es geht um Kritik an einem Präsidenten, der Kritik nur schwer erträgt. Ob sich Trumps Kabinettsmitglieder wohl tief verbeugen müssten, wenn sie das Büro des Sonnenkönigs betreten, spitzt es der Pulitzer-Preisträger Eugene Robinson in der "Washington Post" zu. "Müssen sie vor Freude weinen, wenn er seine zarte Hand ausstreckt, um ihre gesenkten Häupter zu streicheln?"

"Spar die deine Energie, Rex"

Als der Chefdiplomat von der Möglichkeit eines Dialogs mit Nordkorea sprach, um mit dem Diktator Kim Jong-un über atomare Aufrüstung und Raketentests zu reden, pfiff ihn Trump auf geradezu demütigende Weise zurück. Tillerson verschwende seine Zeit bei dem Versuch, "mit dem kleinen Raketenmann zu verhandeln", schrieb er auf Twitter. "Spar dir deine Energie, Rex. Wir werden tun, was getan werden muss." Vorausgegangen waren Berichte, nach denen der Minister Reportern auf einer Chinareise von Sondierungsgesprächen mit Pjöngjang erzählt hatte.

Dafür gebe es zwei, drei offene Kanäle, bestätigte er, was längst kein Geheimnis mehr ist. Sowohl über die schwedische Botschaft in Pjöngjang als auch über die nordkoreanische UN-Vertretung in New York laufen Kontakte. "Wir können mit ihnen reden, und wir reden mit ihnen", sagte Tillerson über die Nordkoreaner, wobei er nur wiederholte, was Pentagonchef James Mattis mit ähnlichen Worten beschreibt.

"Der Präsident spricht für sich selbst"

Doch während Trump den Ex-General Mattis, seinen Lieblingsminister, regelmäßig in höchsten Tönen lobt, fährt er Tillerson ebenso regelmäßig in die Parade. Mit inhaltlichen Kontroversen hat es wohl nur am Rande zu tun. Was er seinem Außenminister verübelt, ist dessen Weigerung, sich mit der Rolle eines Sprachrohrs zu begnügen, eines Megafons der Machtzentrale. Als Trump nach den sommerlichen Ausschreitungen in Charlottesville, provoziert durch einen Aufmarsch von Rassisten, "viele Seiten" für die Gewalt verantwortlich machte, ging Tillerson auf Distanz.

"Der Präsident spricht für sich selber", bemerkte er kühl. Schwerer wiegt wohl noch, was der Fernsehsender NBC News diese Woche meldete. Demnach soll der Ölmanager, der 41 Berufsjahre beim Konzern Exxon Mobil verbrachte, Trump Ende Juli als "moron" bezeichnet haben, was sich mit Trottel, Depp oder Schwachkopf übersetzen lässt. Angeblich wollte er hinwerfen, worauf Vizepräsident Mike Pence vermittelnd einschreiten musste.

Kaum hatte die NBC-Story die Runde gemacht, berief Tillerson eigens eine Pressekonferenz ein, um Rücktrittsgerüchte zu dementieren. Wenn es ein Kniefall vor seinem Vorgesetzten war, dann nur ein halber: Das mit dem "moron" dementierte er nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich. Dafür war es Trump, der die Geschichte ins Reich der Legende verwies. "Fake News", schrieb er scheinbar entrüstet in einem Tweet. "Keine Bestätigung durch mich." (Frank Herrmann aus Washington, 6.10.2017)