Dachte zuerst an einen Scherz, als sie erfuhr, dass ihre Organisation den Friedensnobelpreis erhält: Ican-Generalsekretärin Beatrice Fihn, die mit einem Mitarbeiter (li.), Ehemann (re.) und Champagner feierte.

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Oslo/Wien – "Sogar sehr überrascht" war sie darüber, dass das Nobelpreiskomitee am Freitag ihre Organisation mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet hat. Das sagte die Obfrau der österreichischen Vertretung der Internationalen Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen (Ican) Nadja Schmidt im Gespräch mit dem STANDARD. Kurz davor hatte Norwegens Nobelkomitee in Oslo bekanntgegeben, Ican für ihre "bahnbrechenden Bemühungen um ein vertragliches Verbot solcher Waffen" zu prämieren. Die Jury hatte zwischen 318 Anwärtern zu entscheiden: 215 Personen und 103 Organisationen waren für die Auszeichnung vorgeschlagen.

Die Entscheidung sei ein Aufruf an alle Atommächte, "ernsthafte Verhandlungen" mit dem Ziel einer schrittweisen und "sorgfältig überprüften Vernichtung" der fast 15.000 Atomwaffen in der Welt zu beginnen, erklärte die Vorsitzende des Nobelpreiskomitees, Berit Reiss-Andersen. "Wir leben in einer Welt, in der das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes größer ist, als es lange Zeit war." Damit spielte sie auf die aktuelle Angst vor einem Atomkrieg zwischen den USA und Nordkorea an sowie auf jene, dass US-Präsident Donald Trump das Atom-Abkommen mit dem Iran zerreißen könnte.

In Wien gegründet

Ican ist ein Zusammenschluss aus 450 weltweiten Friedensgruppen und Organisationen. Seinen Sitz hat die Graswurzelbewegung in Genf, gegründet wurde sie vor zehn Jahren in Wien. Deren Generalsekretärin, die 34-jährige Schwedin Beatrice Fihn, dankte deshalb in einem ersten Statement den Zehntausenden Aktivisten, die in über 100 Ländern für ein Atomwaffenverbot kampagnisieren. Als Ican 2007 begonnen habe, sei ihre Arbeit laut deren Obfrau in Wien "meist als lächerlich bezeichnet worden".

Inzwischen hat das Bündnis maßgeblich am Zustandekommen eines Vertrags mitgewirkt, den UN-Generalsekretär António Guterres als "Meilenstein" bezeichnet: der UN-Verbotsvertrag von Nuklearwaffen, den im vergangenen Juli 122 von 193 Mitgliedern der Vereinten Nationen unterstützt haben. Der zehnseitige Vertrag sieht ein Verbot von Herstellung, Besitz, Einsatz und Lagerung von Atomwaffen vor, das in Zukunft auf völkerrechtlicher Basis stehen soll.

Seit der UN-Generalversammlung im September liegt er zur Unterzeichnung auf. 53 Staaten haben ihn bisher unterschrieben, ratifiziert haben ihn drei. Sobald es über 50 Staaten sind, tritt der Vertrag binnen 90 Tagen in Kraft. Nicht gerade unwichtig ist allerdings auch die Frage, wer ihn nicht unterstützt: Boykottiert wird das Abkommen nämlich von den Atommächten (USA, Russland, Großbritannien, China, Frankreich, Indien, Pakistan, Nordkorea, Israel) und der Nato. "Solange Atomwaffen existieren, wird die Nato ein nukleares Bündnis bleiben", erklärten die 29 Mitgliedsstaaten, zu denen auch Deutschland gehört.

Wien erfreut, Berlin verhalten

Der neue Vertrag drohe, die Abrüstungsbemühungen im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags NPT zu unterlaufen, dem 191 Länder – darunter auch Atommächte – angehören. Initiiert wurden die Verhandlungen für eine völlige Eliminierung 2014 von einer kleinen Staatengruppe, darunter auch Österreich, das sich schon seit geraumer Zeit für ein rechtlich bindendes Instrument starkmacht. Österreichische Politiker und Beamte gratulierten dem Bündnis dementsprechend erfreut. Verhalten fiel hingegen etwa die offizielle Reaktion der deutschen Regierung aus. Sie gratulierte zwar zu der hohen Auszeichnung, bekräftigte aber gleichzeitig ihre Ablehnung des Verbotsvertrags. Der frühere schwedische Ministerpräsident Carl Bildt machte auf Twitter klar, auf Irans Außenminister Mohammad Jawad Sarif und EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini gesetzt zu haben, die für die erfolgreichen Verhandlungen für den Atom-Deal als Favoriten gehandelt worden waren. "Die Atomvereinbarung mit dem Iran ist ein realer Erfolg und hätte den Preis verdient", schrieb er.

Sie sei "zutiefst dankbar", sagte Generalsekretärin Fihn der Nachrichtenagentur Reuters. Medaille, Preisgeld und Urkunde erhält sie am 10. Dezember, dem Todestag des Preis-Stifters Alfred Nobel. (Anna Giulia Fink, 6.10.2017)