Ein Bild wie aus dem roten Albtraum-Büchlein: Hans Peter Doskozil grübelt über ein Detailergebnis.

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Ein Bild wie aus dem roten Traum-Büchlein: Hans Peter Doskozil übt für den Fall des Falles.

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Das Burgenland schnauft durch. Die Kommunalwahlen sind – mit Ausnahme der Bürgermeister-Stichwahlen in 19 Gemeinden – geschlagen. Alle, vor allem die zwei Großen, fühlen sich als Sieger. Nun haben sie die Königsetappe in Angriff genommen, die sich gegens Ziel hin als ein bisserl gar arg steil erweist.

Die letzten Kehren haben es in sich. Pannonische Flachlandwadeln werden auf eine besonders harte Probe gestellt. Kraft schöpft man aus dem Team, das nun, Tempo machend oder bremsend, das Peloton an die Spitzengruppe heranführen will; oder, umgekehrt, diese von jenem weg.

So erforderlich, werden nun auch die bravsten der braven Domestiken geopfert. Aus den Betreuerwägen schallen Aufmunterungen. Gestrandete Recken rufen Gegenteiliges. Manche aber holen sich gerade aus diesen einschlägigen historischen Vorbildern die zweite Luft für den Endspurt.

Überall Sieger

Man motiviert sich mit dem Ergebnis der vorangegangenen Etappe. Kein Wunder also, dass sowohl die pannonische SPÖ als auch die ÖVP sich jeweils im Gelben Trikot in Pose werfen. Hans Niessl, der rote Landeshauptmann, sieht sein Team nach den Kommunalwahlgängen deutlich voran: "Wir sind die Nummer eins bei den Mandaten und haben diese Wahl gewonnen." Ja, mehr noch: "Das war die erste Niederlage der Kurz-ÖVP bei Wahlen."

Und das trotz dieser leidigen G'schicht im Bund, die "nicht zufällig gerade vor den burgenländischen Gemeindewahlen" ruchbar geworden ist. "Das war Gegenwind, und deswegen ist das Wahlergebnis besonders positiv zu beurteilen."

Realitätsferne

VP-Chef Thomas Steiner, der als Bürgermeister von Eisenstadt einen auch von roter Seite nicht bestrittenen Wahlsieg feierte, zeigte dagegen stolz auf sein Gelbes. "Vor der Stichwahl am 29. Oktober stellen wir nun 74 Bürgermeister. Die SPÖ hat im Moment ein Ergebnis von 74 Bürgermeistern. Landeshauptmann Niessl spricht von einem Wahlsieg, wo die SPÖ auch noch fast 50 Mandate verloren hat. Das zeigt deutlich, wie weit entfernt die SPÖ von der Realität ist."

Eine streng neutrale Sichtweise bietet die Landeswahlbehörde, sodass ein jeder sich im Detail selbst ein Bild machen kann, so einer das denn wollte.

Knappes Werbematerial

Nach der Wahl ist also vor der Wahl. Es gilt demnach, die brennenden Wadeln zu ignorieren. Das gelingt – schenkt man denen von der ÖVP Glauben – im türkisen Umfeld im Moment ganz gut. Thomas Steiner erzählt gern, wie nach der doch etwas ausgelassenen kommunalen Wahlfeier am 1. Oktober am nächsten Vormittag die jungen freiwilligen Renner in ihrer türkisen Montur voll Tatendrang geklopft hätten ans Parteibüro.

Dort erzählt man, dass allmählich sogar das Werbematerial zur Neige gehe. Ein gutes Zeichen sei das. Man fühle Rückenwind wie schon lange nicht. Steiner glaubt an eine Verdreifachung der burgenländischen ÖVP.

Jetzt sitzt Nikolaus Berlakovich im Nationalrat, nach dem 15. Oktober sollen aus dem Wahlkreis Burgenland-Nord noch Christoph Zarits und die Landeslisten-Erste Gaby Schwarz dazukommen. Schwarz stieß aus dem ORF-Landesstudio ins türkise Team, Zarits direkt aus dem Kommunalwahlkampf, wo er in Zagersdorf/Cogrštof als Bürgermeisterkandidat eher wenig erfolgreich war.

"Unser lieber Dosko"

Nämliches lässt sich – auf höherem Niveau – auch von Ewin Preiner sagen, dem Bürgermeister von Winden am See und einem der zwei aktuellen roten Nationalräte aus dem Burgenland. Der zweite, Jürgen Schabhüttel, Bürgermeister von Inzenhof mit nämlicher Tendenz, ist durch die pannonische Lichtgestalt ersetzt worden, um die herum der gesamte Wahlkampf entworfen worden ist.

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil – Hans Niessl: "Unser Burgenland-Minister", Landesgeschäftsführer Christian Dax: "Unser lieber Dosko" – ist bisher schon im Zentrum aller roten werblichen Mühen im Burgenland gestanden. Großflächig hängt der Landeslistenerste, hemdsärmlig, im ganzen Land. Christian Kern gibt's seit kurzem, hauptsächlich kleinformatig, auch.

G'schicht bis Pallawatsch

Nun aber, nachdem die G'schicht in der Löwelgrube sich zu einer Affäre, dann zu einer Fisimatenz und die schließlich zu einem gehörigen Pallwatsch ausgewachsen hat, scheint man sich in Eisenstadt schon ganz auf die Zeit nach dem absehbaren Desaster eingerichtet zu haben. Es macht ganz den Eindruck, als wolle man Doskozil aus der mittlerweile hemmungslos gewordenen Schlammschlacht zurückziehen in den pannonischen Etappenraum. So wenige Dreckpatzerl wie möglich sollen ihn treffen, um ihn fürs dann folgende Aufbauwerk halbwegs unbeschadet zu erhalten.

Zwar nimmt der Verteidigungsminister klarerweise auch Wahlkampftermine woanders wahr. Aber im Burgenland tritt er nun auffallend fleißig selbst bei Terminen auf, zu denen nicht einmal das ORF-Landesstudio ein Kamerateam schickt.

Weiterbestand

Am Samstag aber war er in Vertretung des Kanzlers beim Parteitag in Salzburg. Und dort formulierte er, aus seinem pannonischen Herzen keine Mördergrube machend, das rote Wahlziel so: "Das größte Anliegen ist ein erfolgreiches Weiterbestehen der Sozialdemokratie."

Und zwar – man kann das auch als Ironie lesen oder als feine Retourkutsche Richtung Wien, wo man ja die Burgenländer des Werteverrats geziehen hat und da und dort weiterhin zeiht – durch "Rückbesinnnung auf die klassischen sozialdemokratischen Werte und Themen".

Letzter Silberrücken

Hans Niessl, dem Mentor Doskozils, kann man wohl so manches vorwerfen, aber sicher nicht, dass er Angst hätte vor der eigenen Courage. Seine SPÖ hat der Eisenstädter im Frühsommer des Jahres 2015 ziemlich ruppig vor die Gretchenfrage – Wie hältst du's mit der FPÖ? – gestellt. Nun, nach dem missratenen Wahlkampf, wird es keine Herumdruckserei aka Wertekatalog mehr geben können. Niessl – nach der fast unheimlichen Absenz des Wiener Bürgermeisters im Wahlkampf letzter verbliebener Silberrücken – wird darauf in seiner Weise drängen. Forsch.

Es wird, so drückte sich unlängst ein hoher SPÖ-Funktionär aus, tabula rasa gemacht werden. Das Burgenland will dann als prozentuell stärkste Landesgruppe seinen entsprechenden Platz einnehmen. Aus diesem Ziel schöpfen die roten Renner ihre Restmotivation für den letzten, steilen Anstieg bis zur Bergwertung am 15. Oktober.

Zuletzt kamen die roten Burgenländer 2013 auf 37,3 Prozent. Die würde man, so wie es jetzt aussieht, sofort nehmen. Ung'schaut. (Wolfgang Weisgram, 9.10.2017)