Haircut: Frauen verdienen nach wie vor meist schon beim Berufseinstieg weniger als Männer.

APA

Wien – 435.000 Euro. So viel an Einkommen entgeht Frauen im Schnitt im Vergleich zu Männern im Laufe ihres Erwerbslebens. Das erhob die Arbeiterkammer auf Basis der jüngsten Daten zur EU-weiten Verdienststruktur. Runtergerechnet auf einen Monat beläuft sich die Differenz über 34,5 Jahre im Job auf 900 Euro.

586 Euro monatlich lassen sich einfach erklären: Es ist jener Anteil, auf den Frauen freiwillig oder unfreiwillig verzichten, um sich der Betreuung ihrer Kinder, der Hausarbeit und Pflege von Angehörigen, zu widmen.

Angebote zur Kinderbetreuung fehlen, Männer bringen sich nach wie vor verhältnismäßig wenig in die Arbeit daheim ein. Viele Frauen satteln folglich auf Teilzeitstellen um, was ihr lebenslanges Einkommen deutlich beschneidet. Unterm Strich kommen sie laut Arbeiterkammer pro Woche auf 65 Stunden bezahlte und unbezahlte Arbeit, zwei Stunden mehr als Männer.

Wackelige Karriereleiter

Frauen wählen zudem Berufe, die von vornherein geringer bezahlt sind als jene, die von Männern dominiert werden. Und ihre Chancen, die Karriereleiter hochzuklettern, stehen schlechter. In Zahlen gegossen und über die Jahre hochgerechnet führen diese beiden Faktoren zu einem Gender Pay Gap von durchschnittlich 35.000 Euro.

Was bleibt sind 90.000 Euro Unterschied, monatlich also 187 Euro, der sich durch nichts Handfestes belegen lässt.

Kommenden Freitag ist es im Übrigen wieder einmal so weit: Es ist jener Tag, an dem Männer in Österreich bereits das Einkommen in der Tasche haben, für das Frauen noch bis Jahresende arbeiten müssen. Vorarlberg beging diesen Tag bereits am 16. September. In Wien ist es dank größerer finanzieller Ausgewogenheit zwischen den Geschlechtern erst der 30. Oktober.

Zwei Monate "Gratisarbeit"

Was auch hier bleibt, sind gute zwei Monate, in den Frauen praktisch "gratis" arbeiten. Wobei es im Vergleich zum Vorjahr, Daten der Statistik Austria zufolge, heuer zumindest eine leichte Verbesserung von 22,4 auf 21,7 Prozent gibt. Das ist der Prozentsatz, den Frauen, die ganzjährig vollzeitbeschäftigt sind, weniger verdienen als Männer. Unterm Strich beziffert die Statistik diese Differenz mit knapp 11.000 Euro.

Nur eine geringfügige Verbesserung zeigt auch der vom Arbeitsmarktservice veröffentlichte und vom Wirtschaftsforschungsinstitut entwickelte Gleichstellungsindex. Dieser wird alle zwei Jahre aktualisiert und spiegelt das finanzielle Geschlechterverhältnis wider.

Demnach sind auf Österreichs Arbeitsmarkt derzeit 71 Prozent Gleichstellung erreicht, 70 Prozent waren es laut Wifo 2015. Gründe, warum sich das Einkommen der Frauen leicht verbessert hat, führen die Wirtschaftsforscher auf die Kollektivverträge zurück, in denen Niedriglöhne in den vergangenen Jahren stärker berücksichtigt wurden. Frauen seien zudem zunehmend höher qualifiziert, wie auch der Anteil an Hilfsarbeiterinnen stärker sank als jener der Hilfsarbeiter.

Dass sogenannte Niedriglohnbranchen nach wie vor weiblich dominiert sind – daran hat sich laut AMS dennoch wenig geändert. Jede fünfte Frau hat hier ihren Job. Bei den Männern ist es lediglich jeder zehnte.

Höhere Bildung

Auch international gesehen hinkt Österreich bei der finanziellen Ausgewogenheit zwischen den Geschlechtern in Europa hinterher – obwohl Frauen hierzulande im Schnitt höher gebildet sind als Männer. Schon beim Berufseinstieg, also zu einer Zeit, in der meist noch keine Rede von Familienplanung und Kinderbetreuung ist, verdienen Frauen seltener als Männer mindestens 1800 Euro brutto.

Den größten Aufholbedarf macht das AMS im Bereich Familie aus. Frauen erreichen hier auf dem Index nur 39 Prozent der Werte der Männer. Zweitere sind zwar zusehends bereit, in Karenz zu gehen. Sie tun dies aber wesentlich kürzer und verdienen nach der Zeit bei der Familie teilweise sogar mehr als vorher. Die Ursache dafür sehen Arbeitsmarktexperten darin, dass Frauen nach ihrer Karenz in Teilzeitjobs oder überhaupt ganz andere Branchen wechseln.

Besser steigen Frauen nur bei zwei von 31 Indikatoren aus: bei der Arbeitslosenquote und der wiederkehrenden Arbeitslosigkeit.

Das AMS fordert angesichts der nach wie vor tiefen finanziellen Kluft zwischen den Geschlechtern flächendeckend ganztägiges Kinderbetreuungsangebot und Anreizsysteme für höhere Väterbeteiligung, damit Frauen früher in den Job zurückkehren können. Es brauche zudem eine neue Bewertung von Arbeit und mehr Transparenz beim Einkommen. (vk, 8.10.2017)