Im gleichen Wohnhaus wohnen junge Mieter, die zehn Euro Miete pro m2 zahlen, Tür an Tür mit anderen, die in alte Mietverträge eingetreten sind und deren Mietzins nur einen Euro pro m2 beträgt.

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Wien – Das Thema Mietrecht spaltet die Republik schon seit Jahrzehnten, steigende Wohnkosten in den Ballungsräumen haben die Debatte weiter angeheizt. Kein Wunder, dass es auch im Wahlkampf eine Rolle spielt. Die Grünen pochen regelmäßig auf Mietobergrenzen, und die SPÖ fordert nun eine Mietzinsobergrenze für sämtliche Gebäude, "außer bei frei finanzierten Neubauten bis zu einem Bestandsalter von 20 Jahren".

Der Wunsch nach einer Deckelung ist aus Sicht der Mieter, insbesondere solcher mit niedrigem Einkommen, verständlich – ebenso deren Ablehnung durch Haus- und Wohnungseigentümer in einem im internationalen Vergleich bereits stark reglementierten und vergleichsweise immer noch günstigen Markt.

Bei einer differenzierten Auseinandersetzung mit Mietzinshöhen muss zunächst darauf hingewiesen werden, dass es Mietobergrenzen heute schon gibt, dies aber teilweise und oft willkürlich.

Allgemeine Unzufriedenheit

Das österreichische Mietrecht unterscheidet zwischen Altbauten und Neubauten. Bei der Neuvermietung einer Wohnung mit weniger als 130 m² Nutzfläche darf in Altbauten maximal der sogenannte Richtwertmietzins vereinbart werden.

Dieser beträgt pro m² im Burgenland 5,09 Euro, in Wien 5,58 Euro und in Vorarlberg 8,57 Euro und unterliegt unter bestimmten Voraussetzungen Zu- und Abschlägen. Dass die Miete einer Wohnung im oft ländlichen Vorarlberger Raum um 60 Prozent höher sein darf als im städtischen Wien, ist nur ein weiteres Kapitel des oft hinterfragenswerten österreichischen Föderalismus.

Bei der Vermietung von Neubauwohnungen ist, wiederum mit Ausnahmen, ein "angemessener", also ortsüblicher Mietzins als Obergrenze heranzuziehen. Für Doppel- und Einfamilienhäuser und ab 2002 bewilligte Dachbodenausbauten ist der Mietzins frei vereinbar. Der Auszug aus dem hier verkürzt dargestellten Dschungel führt zur allgemeinen Unzufriedenheit.

Fraglich ist die sachliche Rechtfertigung bei der Unterscheidung des maximal zulässigen Mietzinses auch dann, wenn auf die Person des Mieters abgestellt wird: So können Angehörige eines verstorbenen Mieters, die mit diesem in der gleichen Wohnung gelebt haben, zu nahezu unveränderten Kosten in Altmietverträge eintreten bzw. Mietrechte weitergeben.

Der Beweis, dass diese Menschen gar nicht in der gemeinsamen Wohnung gelebt haben, ist wegen der von der Judikatur verlangten – teils absurden – Beweisvoraussetzungen oft kaum zu erbringen und nützt letztlich nur dem Detektivgewerbe.

Ungleichbehandlungen

Als Ergebnis all dieser, freilich verkürzt dargestellten, Ungleichbehandlungen leben etwa in vielen Zinshäusern junge Menschen, die zehn Euro pro m² und mehr zahlen, Tür an Tür mit – aufgrund von Eintrittsrechten gleich jungen – Mietern, deren Mietzins in der baugleichen Wohnung weniger als einen Euro pro m² beträgt.

Das ist schlichtweg unfair und führt zur grotesken Situation, dass viele Zinshäuser mangels Rentabilität nicht saniert werden können, was wiederum die teuer Mietenden nicht verstehen. Sogenannte "Friedenszinse" hatten nach dem 2. Weltkrieg ihre Berechtigung, im Jahr 2017 sind sie aber nicht mehr argumentierbar.

Zugleich häufen sich die Unkenrufe derer, die die "Verschandelung des Stadtbilds" durch Neubauten anstatt architektonisch wertvollerer Gründerzeithäuser beklagen. Auch dieses Phänomen wird bereits durch die derzeitige Gesetzeslage gefördert. Schließlich kann bei Neubauten aufgrund verbesserter Kubatur und geringerer Raumhöhe nicht nur die Bruttogeschoßfläche deutlich erhöht werden, sondern dies führt letztlich auch noch zu wirtschaftlich deutlich attraktiveren Mietzinsen.

Die Konsequenz des nunmehr im Raum stehenden Vorschlags einer Mietzinsobergrenze ab 20 Jahren nach Errichtung eines Gebäudes würde zu einer weiteren Verschärfung der Situation führen. In der Folge würden sämtliche Neubauten architektonisch und ökologisch auf niedrigstmöglichem Standard errichtet werden – eine Situation, die sicherlich nicht im Interesse der Mieter sein kann.

Entgegen dem geltenden Recht und diesen Vorschlägen wäre es für die Stadtbildentwicklung viel besser, die Vermietung von Gründerzeitwohnungen zu höheren Preisen zuzulassen, als für jene von Wohnungen in 70er-Jahre-Bauten oder klassischen "Schuhschachteln" anno 2017 verlangt werden.

Darüber hinaus ist es aufgrund der geltenden Gesetze und aktueller Judikatur aufgrund zahlreicher Schlupflöcher schwierig bis unmöglich, nicht zahlungswillige, ortsabwesende oder verhaltensauffällige Mieter wirksam zu kündigen. Auch dies belastet nicht nur die Vermieter, sondern auch die Mieter, die in abgewohnten Häusern wohnen müssen und selbst von solchen Nachbarn belästigt werden.

Pluralität gefordert

Wenn wir also über Mietobergrenzen sprechen, dann bedarf es eines Konzepts, das nicht alle Gebäude – unabhängig von deren baulicher und architektonischer Qualität – über einen Kamm schert, sondern Pluralität fördert. Notwendig wären daher bundesweit einheitliche Regulative mit klar definierten Zu- und Abschlägen je nach Lage, Bauart (Niedrigenergie-, Passivhaus) und individueller Ausstattung – dies etwa in Form eines transparenten Punktesystems. Auch die architektonische Qualität darf im Sinne aller hier nicht außer Acht gelassen werden, will man weitere Bausünden hintanhalten.

Gleichzeitig wäre es dringend notwendig, Privilegien Einzelner zulasten aller anderen zu beschränken sowie vereinfachte und verkürzte Verfahren für Vermieter im Falle von mieterseitigen Verstößen zu ermöglichen. Ein faires und vor allem klares Mietrecht ist schließlich im Sinne aller – Mieter und Vermieter gleichermaßen. (Benedikt Stockert, 9.10.2017)