Der Sprecher der Patientenanwälte, Gerald Bachinger, plädiert im STANDARD-Kommentar vom 30. September für einen "massiv gestärkten" Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der wie eine "echte Unternehmenszentrale" agieren soll. Von Kassenzusammenlegungen hält er offenbar wenig.

Einmal mehr erweist sich Bachinger, seinem Amtsverständnis entsprechend, als zuverlässiger Anwalt der Politik und Verteidiger "gewachsener Strukturen". Folgerichtig zitiert er auch die von Sozialminister Alois Stöger bei der LSE beauftragte, umstrittene Studie über die österreichischen Krankenkassen. Eine 630.000-Euro-Studie mit völlig überraschungsfreien Ergebnissen, die pikanterweise wesentliche Arbeiten an zwei österreichische Fachleute auslagerte, die intensive Geschäftsbeziehungen mit dem Sozialministerium und den Kassen unterhalten oder unterhielten. Kühne Reformvorhaben sind da keine zu erwarten.

Gewünschte Aussagen

Bachinger ist auch stets gern zu von der Politik gewünschten Aussagen bereit: "Den Ärztemangel gibt es nicht", befand er, auch das Schließen ärztlicher Hausapotheken sei für ihn kein Problem, "Mystery-Shopping" gefährde nicht das Vertrauen zwischen Ärzten und Patienten, und PHC-Zentren sind ohnehin ein Allheilmittel. Also alles hübsch im Gleichklang mit der Gesundheitspolitik, auch wenn es dabei auf Kosten der Patienten geht.

Bachingers Analyse bezüglich des Wildwuchses bei den Kassen ist einiges abzugewinnen. Aber ausgerechnet einen gestärkten Hauptverband als Lösung zu sehen macht den Bock zum Gärtner. Vielmehr muss die Frage lauten, ob und warum Österreich überhaupt einen Hauptverband braucht. Einen Apparat mit 320 Mitarbeitern, der für die Gesundheitsversorgung zuständig ist und trotzdem das bewährte Wahlarztsystem einschränken wollte. Der den Gesamtvertrag zwischen den Kassen und der Ärztekammer aushebeln wollte, um mit einzelnen Ärzten oder Zentren direkt verhandeln zu können – sehr zum Nachteil der Patientenversorgung.

Alternative Modelle

Der Hauptverband liefert also ständig Beispiele dafür, dass er eine gute Versorgung der Patienten und eine faire Behandlung der Ärzte definitiv nicht immer zur Maxime seines Handelns macht, sondern sich lieber politisch instrumentalisieren lässt. So einen Hauptverband will ein Patientenanwalt "massiv stärken"?

Denken wir doch einmal nicht in den üblichen systemimmanenten Kategorien. Vielleicht können Modelle aus dem benachbarten Ausland interessante Impulse bieten: seien es Elemente der völligen Wahlfreiheit der Versicherten zwischen öffentlichen oder privaten Krankenkassen in der Schweiz oder die Möglichkeit der Wahlfreiheit für bestimmte Versichertengruppen in Deutschland. Ohne hier auf die Frage eingehen zu wollen, was die generell beste Lösung ist: Leistungsanbieter, die sich gegenüber ihren Kunden bewähren müssen, weil sich diese sonst einem anderen Anbieter zuwenden, sind in aller Regel kundenfreundlicher als Monopolisten.

Von reformresistenten Kassen unter der Vorherrschaft eines "massiv gestärkten" Hauptverbandes ist das nicht zu erwarten. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Patientenanwälte aus der Umklammerung der sie (wieder)bestellenden Politik befreit werden sollten. Eine Direktwahl durch die Patienten wäre ein überfälliger Demokratieschub in der kommenden Legislaturperiode. (Johannes Steinhart, 9.10.2017)