Feuerwehrmann, Berufstaucher, U-Bahn-Fahrer, Lastwagenfahrer, Schiffskapitän – die männliche Form der Berufsbezeichnung ist Absicht, denn Frauen dürfen diese sowie 451 andere Jobs in Russland nicht ausüben.

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Fünf Jahre lang kämpfte die Russin Swetlana Medwedjewa vor verschiedenen Gerichten darum, als Kapitänin arbeiten zu dürfen. Die Ausbildung zur Schiffsführerin hatte sie zuvor abgeschlossen, bei einem Flussfahrtbetrieb begann sie zu arbeiten. Bei der Bewerbung zur Kapitänin war allerdings Stopp – weil Medwedjewa eine Frau ist.

Nach wie vor gibt es in Russland eine Liste mit Berufen, die Frauen nicht ausüben dürfen. 456 sind es insgesamt, unter anderem Feuerwehrmann, Berufstaucher, U-Bahn-Fahrer, Lastwagenfahrer – und eben auch Schiffskapitän. Die Begründung: Diese Berufe könnten Frauen gesundheitlich schaden. Sie würden an zu lauten, zu dunklen Orten ausgeübt und seien körperlich zu anstrengend. Medwedjewa etwa hatte man gesagt, dass es auf dem Schiff in der Nähe des Maschinenraums einfach zu laut für sie sei. "Dann nehme ich halt Ohrenschützer", soll sie laut "Süddeutscher Zeitung" geantwortet haben.

Hoffnung auf Veränderung

Medwedjewa zog bis vor die Vereinten Nationen, wo man ihr recht gab. Im Sommer konnte sie dann endlich jubeln: Das Oberste Gericht in Russland ließ den Fall überprüfen, ein Bezirksgericht urteilte dann, dass die Absage eine Diskriminierung darstellt. "Für andere Frauen, die einen der verbotenen Berufe ergreifen wollen, wird es jetzt schneller gehen, eine Absage ihres Arbeitgebers anzufechten", sagte sie nach dem Urteil. Tatsächlich hoffen viele Frauen, dass nun auch die anderen Berufsverbote fallen könnten.

Die Liste mit den 456 Berufen ist alt: Mitte der 1970er-Jahre wurde sie von der damaligen Sowjetführung erstellt, wahrscheinlich mit Blick auf die Fruchtbarkeit der Frauen. Frauen würden dadurch in erster Linie als Mütter betrachtet, während Männer Karriere machen könnten, kommentiert dies Stefania Kulajewa von der Antidiskriminierungsstelle der Menschenrechtsorganisation Memorial der "Moscow Times". Im Jahr 2000 wurde die Liste abermals von der russischen Regierung bestätigt. Andere Frauen kamen mit ihren Klagen bisher nicht so weit wie Medwedjewa. Anna Klewez zum Beispiel, die U-Bahn-Fahrerin werden wollte: Sie verlor ihre Klage.

Einstige Pionierinnen

Die Existenz der 456 Berufe mutet aber auch deswegen seltsam an, weil Russland sehr oft Pionier war, was die Reche beziehungsweise die Arbeitsmöglichkeiten von Frauen betrifft: Frauen durften ab 1917 wählen – das erste große europäische Land, das dies ermöglichte. Die erste Diplomatin und die erste Frau im Weltall kommen ebenfalls aus Russland, wie Amnesty International in dem Zusammenhang berichtete.

Das russische Arbeitsministerium kündigte unlängst eine Überarbeitung der Verbotsliste an – in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium. Die Gesundheit der Frauen sei es auch, die im Mittelpunkt stehe. Sicherheit und Technik haben sich in vielen Berufen verbessert, die Liste könnte in Zukunft also kürzer werden. (lhag, 10.10.2017)