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In der Serie "Mad Men" (2007–2015) forderte die Figur Peggy Olson schon in den 1960er-Jahren von ihrem Chef "Equal Pay" – bis heute ist die Einlösung dieser Forderung offen.

Foto: AP/AMC, Jaimie Trueblood

Die Lohnschere in Österreich ist offenbar zu klein, um als großer Skandal durchzugehen. Aber zu groß, um völlig unter der Wahrnehmungsgrenze zu bleiben. Dagegen stemmt sich in Österreich, wie auch in anderen Europäischen Ländern, der Equal Pay Day. Nach einem Termin im Frühjahr berechnet die Arbeiterkammer auch für den Herbst einen Termin. Heuer wird es der 13. Oktober sein, der die Lohnkluft zwischen Männern und Frauen mit diesem symbolischen Bild darstellt: Am 13. Oktober haben Männer bereits das Gehalt beisammen, für das Frauen noch bis Jahresende weiterarbeiten müssen.

Relativ schlägt sich die von der Arbeiterkammer Oberösterreich berechnete Lohnlücke aktuell mit 21,7 Prozent nieder, wenn die Bruttojahreslöhne von ganzjährig Vollzeitbeschäftigten im Durchschnitt verglichen werden. Auch Berechnungen der Statistik Austria basieren auf ganzjährig Vollzeitbeschäftigten, allerdings bedient man sich dort einer Medianberechnung, die eine geringere Lohnkluft von 17,3 Prozent brutto pro Jahr ergibt. Die Berechnung des Medians wird weniger stark von "Ausreißern" wie sehr hohen Gehältern von Männern beeinflusst, erklärt Tamara Geisberger, die sich bei der Statistik Austria mit Lohnstrukturen und Genderstatistiken befasst.

Frage des Vergleichs

Gerade beim Gender Pay Gap wird die Frage, welche Zahlen nun wirklich aussagekräftig sind, besonders kontrovers diskutiert. Dabei komme es einfach darauf an, was man miteinander vergleichen will, sagt die Statistikerin Geisberger dem STANDARD. Sie hält die sehr große Lohnschere auf Basis der Bruttojahreseinkommen aller unselbstständig Beschäftigten durchaus für aussagekräftig, sie beträgt ganze 38,4 Prozent. "Dieser Wert ist interessant, weil davon die soziale Absicherung wie Arbeitslosengeld und Pensionen abhängt und was man in der Geldbörse hat", sagt sie.

Die EU nimmt für den Gender Pay Gap wiederum den Bruttostundenverdienst der Beschäftigten in der Privatwirtschaft. Der Vergleich zwischen den EU-Staaten attestiert Österreich eine Lohnschere von 21,7 Prozent, der viertletzte Platz innerhalb der EU.

Auf Basis des EU-Indikators von 2014, der eine Lohndifferenz von 22,2 Prozent ausweist, errechnete die Statistik Austria auch den sogenannten "bereinigten" Lohnunterschied. Berücksichtigt werden dabei Branche, Beruf, Bildungsniveau, Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Beschäftigungsausmaß, Art der Arbeitsverträge, Unternehmensgröße und Bundesland. Mit all diesen Faktoren konnten 8,6 Prozentpunkte des Gender Pay Gap erklärt werden. Die große Differenz von 13,6 Prozentpunkten bleibt unerklärt.

Sind diese 13,6 Prozent also reine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts? "Nein, aus statistischer Sicht kann man das so nicht sagen", meint Geisberger. Einerseits gebe es immer Faktoren, die statistisch nicht beobachtbar oder im Modell nicht enthalten sind und deshalb unberücksichtigt bleiben, andererseits könnten durch die Berücksichtigung von bestimmten Merkmalen auch Teile von Diskriminierung herausgerechnet werden, etwa wenn die unterschiedliche Verteilung von Frauen und Männern nach Berufen und Branchen rechnerisch bereinigt wird. Der österreichische Arbeitsmarkt ist jedoch stark in Männer- und Frauenberufe beziehungsweise -branchen segregiert – und dahinter könnten auch diskriminierende Mechanismen stecken. So finden sich Frauen deutlich seltener in Führungspositionen, so Geisberger.

Industrie und Kinderbetreuung

Die AK Oberösterreich kann mit ihren Zahlen die beträchtlichen Differenzen zwischen den Bundesländern aufzeigen. Das ist derzeit nur anhand der Löhne von ganzjährig Vollzeitbeschäftigten möglich ist, weil nur diese Daten auch auf allen regionalen Ebenen bis hin zu den Bezirken verfügbar sind. Vorarlberg musste den Equal Pay Day schon am 16. September begehen, die OberösterreicherInnen am 27. September. "Schlusslicht" ist Wien mit dem 30. Oktober.

Diese Unterschiede innerhalb Österreich verraten einiges über die Ursachen der Gehaltsschere. Während in Vorarlberg und Oberösterreich die Gehaltsunterschiede aufgrund von "Frauen"- oder "Männer"-Branchen durch die dort starke Industrie ins Gewicht fallen, spiegelt sich in der geringen Wiener Lohnlücke der verhältnismäßig große öffentliche Bereich mit seiner deutlich kleineren Gehaltsschere von durchschnittlich fünf Prozent bei den Vollzeitbeschäftigten. "Das zeigt, dass die Einkommensunterschiede gestaltbar sind", sagt Bettina Csoka von der AK Oberösterreich. Auch der Faktor Kinderbetreuung wirkt sich in Wien positiv aus. Wien konnte als einziges Bundesland das Barcelona-Ziel überschreiten, nach dem 33 Prozent der unter Dreijährigen mit Kinderbetreuungsplätzen versorgt sein sollen. Wien schaffte 40 Prozent, der österreichische Durchschnitt liegt bei nur 15 Prozent. Und bei den Drei- bis Sechsjährigen hat einzig Wien das EU-Ziel von 90 Prozent erreicht, österreichweit sind es lediglich 40 Prozent.

Was zu tun wäre

"Die häufigen Berufsunterbrechungen bei Frauen lassen die Einkommensentwicklung bei ihnen stagnieren", meint Csoka. Dienstzeitbezogene Ansprüche in Kollektivverträgen, die mit der Dauer der Dienstzeit mitwachsen, müssten deshalb auch die Karenzzeiten berücksichtigen. Im Handel werden etwa seit kurzem die Karenzzeiten von zwei Jahren pro Kind für Gehaltsvorrückungen angerechnet. Auch bei der Lohntransparenz sieht Csoka Handlungsbedarf: Bei den betrieblichen Einkommensberichten seien Sanktionen nötig, wenn diese nicht vorgelegt werden. Und bei den verpflichtenden Bezahlungsinformationen bei Stelleninseraten müsse auch die Ist-Bezahlung angegeben werden – oder zumindest eine Bandbreite, was minimal und was maximal bezahlt wird.

Sollten in naher Zukunft keine einschneidenden Maßnahmen gegen die niedrigere Entlohnung von Frauen ergriffen werden, wird dieses Problem noch Jahrzehnte bestehen, mit all seinen Folgeproblemen – sei es die Altersarmut oder der so hartnäckig bei Frauen liegende große Brocken der unbezahlten Sorgearbeit, der sich durch niedrige Frauengehälter immer wieder reproduziert. Denn zu Hause beim Kind bleibt meist die Person, deren Gehalt niedriger ist und die insofern "weniger fehlt".

Vor zehn Jahren war die Gehaltsschere mit 26,7 Prozent noch um fünf Prozentpunkte größer. Geht es also in dem Tempo und ohne Rückschritte weiter, braucht es noch mindestens 40 Jahre für Lohngerechtigkeit. (Beate Hausbichler, 11.10.2017)