Peruanisch heißt immer auch ein bissl Japanisch, vor allem beim Essen. Ein wenig schmeckt man das jetzt im Mercado am Stubenring.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Essen wie dieses will mit dem Suppenlöffel reingeschoben werden – die Portionen im Mercado lassen das zu.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Lieferanten, die dem Mercado schon zweimal hintereinander beim Bauchfleck zusehen (und die Schmerzen jeweils selbst ertragen) mussten, werden sich mit ihren guten Wünschen für den Neustart mutmaßlich zurückhalten. Prospektive Kunden aber dürfen sich freuen: Im dritten Anlauf hat das vielfach gelobte, bislang aber auch recht kostspielige Restaurant von Klaus Piber eine Neuorientierung erfahren.

Der Fokus auf zeitgenössische lateinamerikanische Küche wurde beibehalten, Küchenchef Alexander Theil aber hat sich verabschiedet. Statt hochgestochener mexikanisch inspirierter Küche wird nunmehr eine deutlich derbere, peruanische Linie gefahren. Gleichzeitig hat Piber an der Preisschraube gedreht: Hauptspeisen kosten nicht mehr um die 30 Euro, sondern nur noch die Hälfte.

Dass man auch um dieses Geld einen lebendigen Eindruck von dem bekommt, was die lateinamerikanischen Küchen an die Vorfront globaler Gastrotrends gespült hat, ist dem neuen Küchenchef Javier Vera Alarcon und, zumindest indirekt, den Segnungen des Au-pair-Wesens geschuldet: Alarcon ist nur in Wien gelandet, weil seine Frau, eine Wienerin, vor ein paar Jahren als Au-pair nach Lima gegangen und mit dem Koch als Ehemann wieder heimgekommen war.

Animierend gewürzte Ceviches

Die peruanische Küche ist stark von japanischen Einwanderern geprägt. Ihre Nikkei-Küche, die sich aus der Kombination von japanischer Küchentechnik mit exotischen, auf einer Vielzahl von Kräutern und oftmals fermentierten oder geräucherten Chilis fußenden peruanischen Aromen speist, ist längst ein Megatrend geworden. Auch Nobuyuki "Nobu" Matsuhisa, der gemeinsam mit Schauspieler Robert De Niro hinter der global erfolgreichen Edelrestaurantkette Nobu steht, ist ein aus Japan gebürtiger Peruaner.

Nobu-Küche darf man sich im Mercado deshalb keine erwarten. Animierend gewürzte Ceviches aber sehr wohl, die den in Limettensaft marinierten, rohen Fisch in verlockenden Varianten präsentieren. Dicke Würfel vom Wolfsbarsch werden für Ceviche "Street Food Style" mit Calamari in einer von Zitrusaromen und fruchtigen Chilis bestimmten Salsa kombiniert, oben drauf gibt es seidig schmelzende Süßkartoffelwürfel, knusprigen Choclo-Mais und ein paar frittierte Calamari-Tentakel.

Essen wie dieses will mit dem Suppenlöffel reingeschoben werden, dann wird die durchaus ungestüme Energie mit Nachdruck auf den Gaumen übersetzt – die Portionen im Mercado lassen das zu. "The Green One" nennt sich eine andere Variante, abermals mit Wolfsbarsch, Calamari und dem knusprigen Kukuruz, diesmal aber in einer Salsa, die neben Zitrus und Chili auf verschiedene Kräuter setzt – vielleicht sogar noch besser.

Dirty Sushi

Spieße in Yakitori-Tradition gibt es auch, da fallen jene mit Oktopus wegen ihrer kraftvollen Chimichurri-Dashi-Glasur angenehm auf, aber auch die mit Hendl: Verblüffend saftig und butterzart, scharf, kräuterwürzig, geradezu erfrischend. Eine ähnliche Marinade befeuert auch die Chicken-Wings, die sind dank Maismehl-Panier noch dazu knusprig.

Böse auf ziemlich gute Art präsentieren sich auch Nigiri mit geschmorter Short-Rib: butterweiches, saftiges Rind voll rauchig süßer BBQ-Aromen, mit cremigem Wachtelspiegelei obendrauf und zart bissfestem Sushi-Reis darunter – eine absurd anmutende Travestie der auf pure Reduktion abzielenden Sushi-Tradition Japans, aber auf dreckige Weise ziemlich köstlich.

Die Weinkarte hält für Kraftlackelküche dieser Art genau die richtigen Begleiter parat: orange Weine, die dank langer Maischestandzeiten und/oder oxidativem Ausbau nicht weniger muskulös aufzutreten wissen. (Severin Corti, RONDO, 13.10.2017)

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