In zehn Hallen präsentiert die Ausstellung chinesische Errungenschaften der vergangenen fünf Jahre – eine Huldigung an den KP-Vorsitzenden Xi Jinping. Der 84-jährige Revolutionsveteran Yan Baojiu (Bild) ist eigens aus dem 700 Kilometer entfernten Shanxi angereist.

Foto: Johnny Erling

Die Besucher drängen sich durch Pekings neue Ausstellung über die "großen Erfolge" Chinas. Viele zieht es zuerst in die letzte der zehn Hallen. Dort fotografieren sie die Bilder und Geständnisse der schwarzen Schafe der Partei. Sie sind die Verlierer der von Parteichef Xi Jinping in den bisher fünf Jahren seiner Amtszeit losgetretenen Antikorruptionskampagne. Sieger Xi ist dagegen überall auf dem alten Pekinger Messegelände präsent. Ein rotes Transparent überspannt den blumenbepflanzten Vorplatz vor dem kathedralenähnlichen Eingang zur Ausstellung: "Schließen wir uns eng um Xi Jinping als Kern der zentralen Führung zusammen, um die große Sache des chinesischen Sozialismus voranzubringen."

Vergangenen Herbst hat sich der 64-Jährige, der in Personalunion auch Staatspräsident und Armeechef ist, vom Zentralkomitee den Titel "Kern der Partei" verleihen lassen. Er überragt sein Führungskollektiv. Offenbar gefällt das nicht allen Genossen. Eine Riesentafel belehrt die Zweifler mit historischen Zitaten von Friedrich Engels, Lenin, Mao und Deng Xiaoping, dass immer nur ein Führer eine revolutionäre Partei kommandieren darf. Am schönsten sagte das der Große Vorsitzende Mao: "Auch der Pfirsich hat nur einen Kern."

"Wiedererwachtes China"

Die Ausstellung ist ganz auf Xi zugeschnitten, mit ihr zieht Peking den Vorhang zum Wahlparteitag auf. Am 18. Oktober beginnt das einwöchige Schauspiel, in dem sich Xi für weitere fünf Jahre als Parteichef küren und mit noch mehr Macht ausstatten lassen will. Auf dem Messeplatz vor den Hallen lässt der 84-jährige Revolutionsveteran Yan Baojiu mit mitgebrachter Parteifahne ein Foto von sich machen. Mit seinem Sohn reiste er aus dem rund 700 Kilometer entfernten Shanxi an, nun salutiert er "der siegreichen Eröffnung des 19. Parteitags".

Die Messe liefert die Exponate dazu. In der bogenförmigen Eingangshalle stoßen ihre Besucher auf meterlange Modelle von Hochgeschwindigkeitsbahnen. Deren Lizenzbauweise hat China vor kaum 20 Jahren Siemens' ICE und Japans Shinkansen abgekauft und weiterentwickelt, nun exportiert es sie. Der neueste Zug ist der Stolz des Landes und Symbol für Xis ehrgeiziges Programm zur Wiederbelebung der chinesischen Nation. Er heißt Fuxin", das wiedererwachte China. Seit Ende September verbindet die Bahn im weltschnellsten Dauertempo von 350 km/h die 1300 Kilometer voneinander entfernten Metropolen Peking und Schanghai. Viereinhalb Stunden dauert eine Fahrt.

Gläserner Bürger

Rotfarbige Zitate von Xi geben in allen Messehallen den Ton an. Chinas "dynamische Wirtschaft" sei heute globaler Konjunkturmotor. Sein "starkes Militär", dessen Marine die "territoriale Integrität und Handelsinteressen des Landes in allen Ozeanen schützt", strebe nach "Weltniveau". Die Außenpolitik habe Chinas Seidenstraßen den Weg zu bereiten, aber auch "der Erhaltung der inneren Stabilität des Landes zu dienen". In einem "literarischen" Leuchtturm sind die Vorderregale mit dutzenden Werken von Xi gefüllt. Der KP-Chef spricht dem chinesischen Sozialismus und der marxistischen Ideologie das Wort und beansprucht die Rolle eines Vordenkers in seiner Partei.

Auch Fortschritte bei Überwachungstechnologien sind ein Schwerpunkt der Ausstellung. Chinas ausgefeilte Hightech-Netzwerke zur Beobachtung und Identifizierung haben sich schneller entwickelt, als alle Prognosen erwartet hatten. Der staatliche Großkonzern iSoft Stone, der auf biometrische Gesichtserkennung spezialisiert ist, führt vor, wie er ein Wohnviertel "smart kontrolliert". China sei heute Weltführer bei Erkennungstechnologien von Personen, erklärte der Forscher Huang Yongzhen von der Akademie der Wissenschaften der Nachrichtenagentur Xinhua. Unabhängige Datenschützer gibt es keine.

Über interaktive Spiele und Simulationen sollen den Besuchern Chinas Aufholsprünge verständlich gemacht werden, von der Raumfahrt bis zur Ausbeutung der Bodenschätze auf dem Grund der Weltmeere. Der Staat, so propagiert es die Ausstellung, sorge unter Führung der Partei für Armutsminderung, knüpfe Sozialnetze und garantiere die Gesundheitsversorgung.

Doch es gibt noch eine weitere Botschaft, die ebenfalls Thema des Parteitags ist: Das Reich der Mitte drängt mit Eile nach außen, will einen neuen Platz in der Welt. Sein Emissär heißt Xi Jinping, der seit seinem Amtsantritt auf 28 Auslandreisen 56 Länder besuchte. Er hat noch viel mehr vor. Das Mandat dafür soll ihm der kommende Parteitag geben. (Johnny Erling aus Peking, 11.10.2017)