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Unter anderem diese Frauen werfen Weinstein sexuelle Übegriffe vor, die teils schon vor vielen Jahren passierten. Obere Reihe (von links) Gwyneth Paltrow, Rosanna Arquette, Mira Sorvino, (unter Reihe) Rose McGowan, Angelina Jolie Pitt, Asia Argento.

Foto: AP/File

Bei den tagtäglichen "Unbequemlichkeiten" für Frauen und Mädchen fängt es schon an. Das Wechseln der Straßenseite, wenn eine Gruppe Männer in Sichtweite ist. Das Unbehagen mit einem Kleidungsstück, wenn das Gegenüber es nicht schafft, den Blick brustaufwärts zu halten. Der sexistische Sager, von dem sie so tut, als habe sie nichts gehört. Es herrscht bei vielen Frauen das Bewusstsein, das alles sei vor allem ihr Problem.

Und dieses Bewusstsein endet auch nicht bei sexueller Gewalt. Das zeigen die zahlreichen Vorwürfe gegen den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein, Frauen über viele Jahrzehnte sexuell missbraucht zu haben, eindrücklich. Frauen schlagen sich mit sexuellen Übergriffen und Gewalt – manchmal offenbar jahrelang – allein herum. Sie überlegen für sich im Stillen, was zu tun ist, wie sie sich schützen können. Einige Frauen einigten sich mit Weinstein außergerichtlich, schon vor vielen Jahren.

Angst vor Konsequenzen

Diese Frauen haben wohl ebenso wie die zahlreichen anderen, die ihm sexuelle Gewalt vorwerfen, darüber gegrübelt und damit gehadert, was ihre Optionen sind – ohne in dem Business "zerschmettert" zu werden, wie es die italienische Schauspielerin Asia Argento ausdrückt. Deshalb habe sie mehr als zehn Jahre gezögert, mit ihrem Vergewaltigungsvorwurf an Weinstein an die Öffentlichkeit zu gehen. Denkt man an den oft schäbigen Umgang mit Gewaltopfern in den sozialen Medien, ist das nur verständlich.

Der Fall zeigt also auch paradigmatisch, wie sich diese Gewalt durch die bestehenden Machtstrukturen reproduziert: Schweigen aus Angst vor Konsequenzen (für das Opfer!), weswegen andere Opfer glauben, es sei nur ihnen "passiert", folglich liege es womöglich auch an ihnen selbst.

Kollektives Bewusstsein

Die erste Reaktion von Frauen ist noch immer viel zu oft, nicht Grapschern und Belästigern die Schuld zu geben, sondern die Verantwortung und auch den Handlungsspielraum einzig bei sich zu sehen. Selbst bei massiver sexueller Gewalt. Und das kommt nicht von ungefähr. Die Haltung, sofort "ihren Anteil" an diesen Taten zu suchen, gehört noch immer zum kollektiven Bewusstsein und hindert unzählige Frauen an dem Weg, der schnurstracks zur Polizei führt. (Beate Hausbichler, 11.10.2017)