In Südtirol spitzt sich der Streit zwischen Biobauern und konventionellen Obstproduzenten zu.

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Die Südtiroler Landesregierung hat Anzeige gegen den österreichischen Autor und Filmemacher Alexander Schiebel erstattet. Der Vorwurf: "üble Nachrede und Verbreitung von Falschinformationen". Der Landesrat für Landwirtschaft, Arnold Schuler, bezeichnete den Schritt als unausweichlich: "Ich musste ein Zeichen setzen." Das Vergehen des aus Salzburg stammenden Autors: Mit seinem Buch Das Wunder von Mals, das den erfolgreichen Aufstand der Vinschgauer Gemeinde gegen den Chemieeinsatz in der Landwirtschaft schildert, erregte Schiebel die Empörung einer der mächtigsten Lobbys des Landes, jener der Obstproduzenten.

Leo Tiefenthaler, Obmann des Bauernbundes, wirft dem in Mals lebenden Autor vor, er habe "neben der Landwirtschaft Südtirol selbst diskreditiert". Doch der Zorn der Bauern richtet sich nicht gegen Schiebel allein. Auf der Anklagebank sitzt auch das Münchner Umweltinstitut, das die Südtiroler Obstbauern auf Plakaten des Missbrauchs von Pestiziden beschuldigte.

"Dichter Pestizidnebel"

In seinem Buch schildert Schiebel, wie sich der 5.000-Einwohner-Ort unweit des Reschenpasses 2014 mit einer Volksabstimmung zur ersten pestizidfreien Gemeinde Europas erklärte. Der Autor wirft Südtirols Obstproduzenten vor, bis zu 50 Kilo Pestizide pro Hektar zu verwenden – sechsmal so viel wie im italienischen Durchschnitt: "Mehr als 30-mal pro Jahr werden die Apfelanlagen in dichten Pestizidnebel gehüllt."

Im größten geschlossenen Anbaugebiet der EU, wo jährlich fast eine Million Tonnen Äpfel produziert werden, haben das Buch und Schiebels von Arte ausgestrahlter Film Leben ohne Ackergift – das unbeugsame Dorf im Vinschgau gehörig Staub aufgewirbelt.

Obwohl der Bauernbund mit 20.000 Mitgliedern eine verschwindende Minderheit der 526.000 Südtiroler vertritt, gehört er zu den politisch mächtigsten Organisationen des Landes, dessen Regierung er immer wieder massiv unter Druck setzt. Ein Beispiel ist die jüngste Forderung, Südtirol müsse umgehend eine "wolffreie Region" werden.

Landeshauptmann Arno Kompatscher reagierte mit einer Amtsverteidigung: "Südtirols Obstwirtschaft betreibt sachgemäßen Pflanzenschutz auf höchstem Niveau." In einem Schreiben an die Redaktion von Arte äußerte er Zweifel an der Qualität der Recherchen.

Doch die Klage gegen Schiebel und das Umweltinstitut könnte sich für die Obstbauern zu einem Bumerang entwickeln. Die am Bozner Landesgericht eingebrachte Anzeige dürfte sich schon bald als wirkungslos erweisen. Denn das Buch ist im Münchner Oekom-Verlag erschienen, und auch das Umweltinstitut ist dort ansässig. Gerichtsort wäre damit die bayerische Hauptstadt, in der das Thema sicher weniger Emotionen und politische Implikationen auslöst als in Südtirol.

Dafür dürften die Kosten des Verfahrens kräftig steigen. Das Umweltinstitut setzt sich bereits wortreich gegen die Klage zur Wehr. Kritik müsse in einem demokratischen Rechtsstaat erlaubt sein und dürfe nicht "mithilfe von Gerichten mundtot" gemacht werden. Die Strafanzeige sei ein vorläufiger Höhepunkt in einer Reihe von Maßnahmen, die die Landesregierung ergriffen habe, um die Arbeit der Gegner der chemischen Landwirtschaft zu behindern, heißt es aus dem Umweltinstitut. Dass man die Plakataktion auch als überzogen werten kann, will deren Agrarexperte Karl Bär nicht leugnen: "Wir wollten provozieren, und das ist gelungen." In einem Newsletter, der an 20.000 Menschen verschickt wurde, ersucht das Institut nun um Unterstützung für den fälligen Rechtsstreit.

Biobäume vergiftet

Doch der Streit zwischen Biobauern und konventionellen Obstproduzenten beschränkt sich in Südtirol keineswegs auf den Gerichtssaal. Vor wenigen Wochen haben Unbekannte die Apfelbäume des Bauern Ägidius Wellenzohn im Vinschgau mit dem umstrittenen Pestizid Glyphosat besprüht. Wellenzohn, ein Pionier des Bioanbaus, beklagt dadurch einen Schaden von rund 5.000 Euro.

Es war nicht der erste Vorfall dieser Art. Der Bauernbund erklärte sich solidarisch. Und warnte gleichzeitig vor "verfrühten Schuldzuweisungen". (Gerhard Mumelter aus Bozen, 12.10.2017)