Die Vorsitzenden der ÖH-Bundesvertretung, Johanna Zechmeister, Marita Gasteiger und Hannah Lutz (von links), fordern, dass die Bezugsdauer der Familienbeihilfe wieder auf 26 Jahre ausgedehnt wird.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Wie sehr sind Sie als ÖH-Funktionärinnen in den Nationalratswahlkampf eingespannt?

Lutz: Ein wenig, aber die ÖH allein nimmt viel Zeit in Anspruch – daneben ist nicht viel möglich.

Gasteiger: Ich bin gar nicht in den Wahlkampf involviert – die ÖH nimmt mich sehr in Anspruch. Ich als Südtirolerin stehe vor der Situation, dass ich bei den Nationalratswahlen nicht wählen darf. Die ÖH ist da weitaus fortschrittlicher: Jeder Studierende an einer Hochschule ist bei der Hochschülerschaftswahl aktiv und passiv wahlberechtigt.

STANDARD: Hat die Tatsache, dass Sie kaum in den Nationalratswahlkampf involviert sind, auch damit zu tun, dass dem Thema Hochschulpolitik darin keine große Bedeutung zukommt?

Zechmeister: Natürlich dominieren momentan andere Themen den Wahlkampf, aber wir haben uns als ÖH bemüht, für die Wahl zu werben, weil es wichtig ist, vom demokratischen Recht Gebrauch zu machen. Außerdem haben wir einen Forderungskatalog an die künftige Regierung formuliert.

STANDARD: Welche Reaktionen gab es auf diese Forderungen?

Gasteiger: Es gab prinzipielles Interesse – manche können mehr damit anfangen, andere weniger.

Lutz: Momentan tut sich hochschulpolitisch einiges – Hochschulbudget und Studierendenbeihilfe wurden gerade erhöht, und bis Jänner muss ein neues Unigesetz da sein. Wir pochen als ÖH darauf, darin mit unseren Forderungen unterzukommen.

STANDARD: Was sind Ihre wichtigsten Forderungen?

Zechmeister: Der freie und offene Hochschulzugang und keine Studiengebühren.

STANDARD: Wie würde sich die Rolle der ÖH mit linkem Vorsitz verändern, falls es eine schwarz-blaue Regierung gibt?

Lutz: Es ist unglaublich schade, dass wir wieder an dem Punkt angekommen sind, an dem wir über Studiengebühren diskutieren. Denn über die vergangenen Jahre hat es sich so angehört, als hätten wir einen breiten Konsens, dass wir keine Gebühren haben wollen. Als ÖH ist es unsere Aufgabe, uns an Verhandlungstische zu setzen und das Beste für die Studierenden herauszuholen.

Gasteiger: Die Rolle, die die ÖH einnehmen wird, wird sich daran orientieren, wie sich die neue Regierung verhält. Natürlich ist der erste Schritt der an den Verhandlungstisch. Wenn uns dort kein Gehör geschenkt wird, müssen wir uns andere Wege überlegen.

STANDARD: Wie würde die ÖH reagieren, sollte die Studienplatzfinanzierung flächendeckend für die Unis eingeführt werden und damit Zugangsbeschränkungen?

Zechmeister: Flächendeckend werden Zugangsbeschränkungen nicht von heute auf morgen eingeführt werden. Jedenfalls müssen wir den Dialog suchen. Falls dieses Horrorszenarium tatsächlich eintritt, müssen wir uns andere Maßnahmen überlegen.

Gasteiger: Die Richtung, in die wir arbeiten müssen, ist mehr Orientierung für die Studienanfängerinnen und Studienanfänger. Jedes Jahr wird geklagt: Was, wenn jetzt 16.000 Personen Medizin studieren wollen? Doch es gibt sehr viele Fächer, die in einen ähnlichen Bereich gehen, etwa Biomedical Engineering, die oft kein Mensch kennt. Die ÖH hat daher das Projekt "Studieren probieren" gegründet, das Leuten einen realistischen Einblick verschaffen will.

STANDARD: Soll das heißen, dass sich das Problem mit Betreuungsengpässen in überlaufenen Fächern von selbst löst, wenn es nur ausreichende Beratung gibt?

Zechmeister: Es würde sicher einen Schritt beitragen. Wichtig ist unsere Forderung nach der Ausfinanzierung der Hochschulen.

STANDARD: Bis zu welchem Alter sollten Studierende Ihrer Ansicht nach Beihilfe bekommen?

Lutz: Wir fordern, dass die Familienbeihilfe für Studierende bis 26 Jahre gilt, so wie es einmal war. Die Studienbeihilfe sollte an den Studienerfolg geknüpft werden.

STANDARD: Sollte Wissenschaft und Forschung wieder ein eigenständiges Ministerium bekommen?

Zechmeister: Wir fordern ein gemeinsames Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, weil wir glauben, dass es ein Gesamtkonzept braucht – vom Kindergarten bis zur Hochschule.

STANDARD: Gibt es für diesen Ministerposten Wunschkandidaten?

Zechmeister: Nein.

Lutz: Wir hätten aber in zwei Jahren Zeit. (lacht)

STANDARD: Sie haben Ihren Vorsitz erst angetreten, in eineinhalb Jahren sind wieder ÖH-Wahlen – was wollen Sie bis dahin erreichen?

Lutz: Wir wollen den Level der Information, den Studierende haben, steigern und die Öffentlichkeitsarbeit verbessern. Wir arbeiten gerade daran aufzuzeigen, wie durchlässig unser Hochschulsektor ist, was man sich wo anrechnen lassen kann – das ist momentan ein Wirrwarr, wo ich mir nicht einmal sicher bin, ob sich das Ministerium auskennt.

Gasteiger: Der offene und freie Hochschulzugang ist ja nicht nur eine leere Phrase, sondern ein politisches Ideal, an dem wir ständig arbeiten.

Zechmeister: Wir arbeiten auch an Projekten, die sich nicht in eineinhalb Jahren umsetzen lassen, wie eine gestärkte Rechtssicherheit und ein einheitliches Studienrecht. Wir haben sehr viel Geld lockergemacht für Klagen an Fachhochschulen. Diese agieren nach dem Privatrecht, da gibt es einige Probleme. Hier wollen wir mit Musterklagen Klarheit schaffen.

STANDARD: Worum geht's dabei?

Zechmeister: Die privatrechtlichen Verträge, die Studierende an Fachhochschulen unterschreiben, unterscheiden sich teilweise sehr stark voneinander. (Oona Kroisleitner, Tanja Traxler, 12.10.2017)