Zukunftsforscher Harry Gatterer bewohnt mit Familie ein 114 Jahre altes Haus in Gumpoldskirchen. Die Digitalisierung und Versmartung privater Haushalte hält der Leiter des Zukunftsinstituts für eine Sackgasse.

"Von außen war das Haus so lala. Ganz schön, aber gewiss nicht umwerfend. Innen jedoch waren wir auf Anhieb energetisiert. Sobald die Tür aufging, hat sich eine Stimmung und eine Atmosphäre breitgemacht, dass wir sofort gespürt haben: Das hat was! Das fühlt sich richtig gut an. Und so war klar, dass wir den Schritt wagen und von Wien – wir waren davor in einer sehr schönen Wohnung im fünften Bezirk – aufs Land hinausziehen.

"Macht es mich emotional wirklich glücklich, wenn mich in der Früh ein Gegenstand begrüßt und mir einen schönen Tag wünscht?" Harry Gatterer in seinem analogen Wohnzimmer.
Foto: Pilo Pichler

Wir wohnen hier seit Ende 2012, und die Entscheidung war goldrichtig. Das Haus hat uns sehr geerdet, und auch Gumpoldskirchen als Lebensmittelpunkt hat etwas Erdiges, zutiefst Bodenständiges. Das liegt wohl auch an den Weinbergen rundherum und an der damit verbundenen Bodenkultur, die hier überall präsent ist.

Das Haus ist längst schon zu einer Basis unseres familiären Lebens geworden. Ich lebe hier mit meiner Frau Stephanie und unseren beiden Kindern. Das Haus stammt aus dem Jahr 1903 und hat an die 200 m². Ich genieße es, in einem so alten Haus zu leben. Ich mag die vielen Geschichten, die sich hier abzeichnen. Das ist ein guter, wertvoller Gegensatz zu meinem beruflichen Leben.

Foto: Pilo Pichler

Als Zukunftsforscher könnte ich niemals in einem modernen Hightech-Raumschiff leben. Ich denke, da würde ich jede Form der Erdung und Alltäglichkeit verlieren. Das ist, wie ich finde, auch die größte Gefahr des modernen, smarten Wohnens – dass man sich von den eigenen Wurzeln distanziert. Was hat das für einen Sinn, wenn sich der Kühlschrank mit dem Herd unterhält? Macht es mich emotional wirklich glücklich, wenn mir in der Früh ein Gegenstand einen schönen Tag wünscht?

Ich bin kein Technikgegner, ganz im Gegenteil. Aber Technologie muss unser Leben verbessern und erleichtern. Vieles von dem, was wir heute vorfinden, scheint mir überschätzt, ja sogar auf dem falschen Dampfer. Die Technologie hat uns immer schon dazu verleitet, überdimensionale, lineare Prognosen zu erstellen. Aber das ist eine Sackgasse. Gerade in dieser digitalen, virtuellen Zeit braucht es eine Beziehung zum Analogen, zum Manifesten, zum physisch Angreifbaren. Ich sage immer Smart Being dazu.

Smart Being bedeutet, nicht immer nur virtuell und kommunikativ performen zu müssen. Smart Being heißt, digital zu leben und dennoch vom Gas runterzugehen und ganz bei sich zu sein.

Dieses Haus jedenfalls ist ziemlich smart: In den Achtzigerjahren wurde eine Veranda angebaut, und seitdem gibt es drei Wohnzimmer in einer Achse. Einerseits kann man sagen: Kein Mensch braucht drei Wohnzimmer, vor allem heute nicht, wo die Wohntrends mehr in Richtung Loft und Einraumwohnung gehen. Aber ich sage: Ja, diese Vielfalt beflügelt mich und meine ganze Familie! Immer wieder tauschen wir die Räume und stellen das Erdgeschoß auf den Kopf. Dann wird das Esszimmer zum Wohnzimmer, der Salon zum Spielzimmer, die Veranda zu was auch immer.

Foto: Pilo Pichler

Wichtig ist, dass wir uns bewegen und experimentieren können. Auch die Möbel sind so gewählt, dass wir sie regelmäßig umstellen und uns neu organisieren können.

Unseren Einrichtungsstil würde ich als schlichte Gemütlichkeit bezeichnen. Ich brauche keinen Plüsch und keine tausend Dinge, die herumstehen. Ich brauche Leben, Freude und Widerspruch.

Und nachdem ich Zukunftsforscher bin, muss ich jetzt noch in die Zukunft blicken, oder? Viele sagen: Alles wird immer schneller und schneller. Das glaube ich nicht. Die private Zeit von uns allen dreht sich viel beschaulicher als das Rad von Medien und Technologie. Umso wichtiger ist mir meine Langsamkeit." (Wojciech Czaja, 16.10.2017)