Kaum eine Szene hat sich so ins kollektive Filmgedächtnis eingebrannt wie das blutige Ende der duschenden Marion Crane in Alfred Hitchcocks Psycho. Selbst Leute, die den 1960 erschienenen Klassiker nicht gesehen haben, sind mit dem von Bernard Herrmanns schrillem Streicherstück untermalten Mord so vertraut, dass die kreischenden Saiten von jedermann unweigerlich mit Terror assoziiert werden. Da wirkt es gar nicht abwegig, dass Alexandre O. Philippe diesem einschneidenden Moment Kinogeschichte mit 78/52 einen ganzen Dokumentarfilm widmet.

Einschneidender Moment der Kinogeschichte: Janet Leigh gerät in Hitchcocks "Psycho" unters Messer.
Foto: Viennale

Die Arbeit des Schweizer Regisseurs fällt weniger analytisch aus, als der Titel, der auf die 78 Einstellungen und 52 Schnitte der Duschszene verweist, erwarten lässt. Philippes Interviewpartner bekommen ausreichend Zeit für eine Verortung des Klassikers sowohl im Schaffen Hitchcocks (ein aggressiver Akt nach Publikumsschmeichlern wie Der unsichtbare Dritte) wie auch in der Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts (der erste Film, in dem eine Toilettenspülung zu sehen ist; das unerwartete Wegräumen einer Hauptfigur 50 Jahre vor Game of Thrones). Erst in den zweiten 45 Minuten wird das Wannengeschnetzel Schnitt für Schnitt unter die Lupe genommen und zum Gesamtfilm in Bezug gesetzt.

Besonders Walter Murch, der etwa für Francis Ford Coppola als Editor und Tongestalter arbeitete, sind hier erhellende Einsichten zu verdanken. Andere Filmschaffende wie Guillermo del Toro, Karyn Kusama und Danny Elfman steuern ebenfalls interessante Gedanken bei, während Jamie Lee Curtis (Tochter von Janet Leigh), Oz Perkins (Sohn von Anthony Perkins) und Hitchcocks Enkeltochter Tere Carrubba mit Anekdoten aufwarten.

Manche der samt und sonders schwarz-weiß im Bates Motel aufgenommenen Talking Heads beschränken sich zwar auf das Ausdrücken ihrer Begeisterung für Hitchcocks Werk, doch hat ein wenig Enthusiasmus in einer Fan-Doku auch seine Berechtigung. Alte Aufnahmen von Hitchcock in seiner Paraderolle als britischer Gruselonkel sind indessen sowohl unterhaltsam als auch informativ.

Imagine Film Festival

Freilich fällt für das Hirnkastlregister mit dem besonders unnötigen Fachwissen ebenfalls einiges an Füllmaterial an, beispielsweise welche Melonensorte der Regiemeister nach ausführlichem Studium heranziehen ließ, um das Geräusch des von Messerstichen penetrierten Körpers zu imitieren. Das Rennen machte die dickfleischige Casaba-Melone. (Dorian Waller, 14.10.2017)