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Niedrigverdiener werden von der Sozialversicherung besonders stark belastet.

Foto: dpa/Jan-Philipp Strobel

Es mag paradox klingen, aber in einer wichtigen Standortfrage hat die Liste Pilz einen starken Input gebracht. Während fast alle Wahlkämpfer der Steuerentlastung von Geringverdienern das Wort reden, haben Peter Pilz und sein Mitstreiter Bruno Rossmann ein Konzept, das auch die exorbitant hohen Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt. Die sind nämlich im Gegensatz zum Steuersystem das wahre Problem.

Der Freibetrag von 11.000 Euro sichert bereits 2,5 Millionen Menschen ein steuerbefreites, aber keineswegs abgabenbefreites Einkommen. Die Sozialversicherungsbeiträge fallen ab der Geringfügigkeitsgrenze von 425 Euro im Monat voll an. Und wirken mit insgesamt 37,75 Prozent (Arbeitgeber- und nehmerbeiträge addiert) fast schon konfiskatorisch.

Die dadurch gesetzten Anreize wirken fatal: Menschen haben vielfach keinen Anreiz, ihre berufliche Tätigkeit auszudehnen. Verschärft wird die Lage durch das undurchdringbare Dickicht an Transferleistungen von Bund, Ländern und Gemeinden. Zuverdienst wird gerade bei unteren Einkommen durch den Wegfall von Geld- oder Sachleistungen bestraft: ziemlich sinnbefreit das Ganze.

Frauen würden profitieren

Das System führt dazu, dass ausgerechnet die öffentliche Hand den Aufstieg finanziell schlechtergestellter Gruppen bremst. Frauen sind vielfach besonders stark vom Zuschnappen der Abgabenfalle betroffen. Dabei wäre zur Reduktion der Ungleichheit die Entlastung von Niedrigverdiensten ein wichtiger Schritt.

Und noch etwas: Die hohe Belastung des Faktors Arbeit drückt nicht nur die Einkommen, sondern verhindert Beschäftigung. Für Arbeitgeber zählt ja nur, wie viel ein Mitarbeiter unter dem Strich kostet. Die Antwort: dank zu hoher Sozialbeiträge viel zu viel.

Das Modell der Liste Pilz, das eine stufenweise Abflachung der SV-Beiträge beinhaltet, wäre mit einem Ausfall von 450 Millionen Euro relativ leicht zu finanzieren. Der höhere Nettoverdienst würde überdies – wie bei geringen Einkommen üblich – annähernd eins zu eins in den Konsum fließen, damit die Konjunktur beleben und somit höhere Steuern ins Budget spülen. Die Liste Pilz steht sicher nicht für das wirtschaftsfreundlichste Programm der wahlwerbenden Gruppen. In Sachen Entlastung hat der Ex-Grüne Frontman aber voll ins Schwarze getroffen. (Andreas Schnauder, 14.10.2017)