Washington – Die europäischen Partner des Atomabkommens mit Teheran sehen die neue Iran-Strategie von US-Präsident Donald Trump mit Sorge. Die USA sollten sehr genau überdenken, ob es Sinn mache, das Abkommen zu verletzen, forderten die Staats- und Regierungschefs von Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Trump hatte zuvor die alle drei Monate fällige Bestätigung verweigert, dass Teheran den Deal einhält.

"Wir können und werden diese Zertifizierung nicht vollziehen", sagte Trump am Freitag in Washington. Der Iran erfülle den Grundgedanken des Abkommens nicht, begründet er seine Entscheidung.

Obwohl Trump den Ausstieg der USA aus dem unter seinem Vorgänger Barack Obama geschlossenen Atomabkommen ausdrücklich nicht ankündigte, schloss er ihn jedoch für einen späteren Zeitpunkt nicht aus. Sollte der US-Kongress nicht zu einer befriedigenden Lösung für ein neues Gesetz kommen, werde er das Abkommen beenden, so Trump. Der US-Kongress hat nun 60 Tage Zeit, einen schärferen gesetzlichen Rahmen als bisher zu erlassen oder eben nicht.

US-Außenminister Rex Tillerson hatte am Vortag erklärt, das US-Gesetz könnte beispielsweise dahingehend aufgebohrt werden, dass neben den Verpflichtungen aus dem Abkommen zum Umgang mit nuklearem Material auch Irans Terroraktivitäten und das Raketenprogramm Bestandteil würden und so die Wiederaufnahme von Sanktionen rechtfertigen könnten. Teheran hatte zuletzt im September eine Mittelstreckenrakete testen lassen.

Trump ermächtigte am Freitag zudem das US-Finanzministerium zu Strafmaßnahmen gegen die iranischen Revolutionsgarden, die nicht nur der mächtigste Zweig der Sicherheitsbehörden in der Islamischen Republik sind, sondern denen auch ein gigantisches Unternehmens-Imperium untersteht.

"Kein Präsident kann das internationale Abkommen widerrufen", konterte der iranische Staatschef Hassan Rouhani umgehend. Sein Land sehe sich dem Vertrag verpflichtet und werde daran festhalten, erklärte er in einer Fernsehansprache. "Der Iran wird sich niemals Druck aus dem Ausland beugen." Die US-Vorwürfe nannte Rouhani haltlos. Trump treibe sein Land auf diese Weise nur in die Isolation.

Die an dem Abkommen beteiligten Regierungen in Berlin, Paris und London reagierten "besorgt" auf Trumps Vorgehen. Der französische Präsident Emmanuel Macron, die britische Premierministerin und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bekennen sich in einer gemeinsamen Erklärung ausdrücklich zu dem Abkommen. Dessen Beibehaltung sei im gemeinsamen nationalen Sicherheitsinteresse, heißt es in dem Papier.

Macron telefonierte noch am Abend mit Rouhani und stellte gar eine Teheran-Reise in Aussicht. In der kommenden Woche wolle der französische Präsident den Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO), Yukiya Amano, treffen.

Amano versicherte indes, seine Mitarbeiter hätten alle Möglichkeiten zur genauen Kontrolle des iranischen Atomprogramms. "Die IAEA hatte bisher Zugang zu allen Orten, die sie besuchen wollte", erklärte er am Freitagabend in Wien. Trump hatte behauptet, das Abkommen ermögliche nur eine schwache Überwachung. Dagegen erklärte Amano, dass die Islamische Republik den international strengsten Kontrollen durch die IAEA unterliege. Der Iran halte sich an das Abkommen, versicherte er.

Einen Dialog möchte auch US-Verteidigungsminister James Mattis. Er kündigte an, rasch das Gespräch mit den Alliierten der USA suchen. Mattis sagte am Freitag in Washington: "Wie interpretieren sie das Fehlverhalten und die Destabilisierung der Region durch den Iran?" Gefragt, ob es um Gespräche mit Alliierten in Europa oder in Nahost gehe, sagte Mattis, es gehe sicherlich um beide. Die USA seien mit ihrer Besorgnis hinsichtlich des Irans bestimmt nicht alleine.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wies die Drohung einer einseitigen Aufkündigung des Deals seitens der USA zurück. Es stehe keinem einzelnen Land zu, es zu beenden, sagte Mogherini in Brüssel. "Das ist kein bilaterales Abkommen, es gehört keinem einzelnen Land."

Moskau reagierte mit Bedauern auf die Worte Trumps. Man hoffe, seine Haltung werde sich nicht auf die Umsetzung des Abkommens auswirken, hieß es laut der Nachrichtenagentur Tass am Freitag aus dem russischen Außenministerium. Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow sagte, sein Land werde dafür sorgen, dass das als "JCPOA" bezeichnete Atomabkommen intakt bleibe. "Wir werden unser Bestes geben, damit der Deal nicht zunichtegemacht wird", so Rjabkow.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu lobte dagegen: Trump habe mutig das terroristische Regime des Irans konfrontiert. Auch die US-Verbündeten Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate signalisierten Zustimmung zum Kurs des US-Präsidenten.

Trump sieht die Reaktionen auf seine Rede zum Atomabkommen mit dem Iran auch als wirtschaftlich motiviert. "Viele Leute reden heute mit großem Einvernehmen über meine Iran-Rede. Die Beteiligten an dem Abkommen machen viel Geld aus dem Handel mit dem Iran!", schrieb Trump am Freitagabend im Kurznachrichtendienst Twitter.

Das Abkommen sieht im Kern vor, dass der Iran auf hochangereichertes Uran verzichtet und in engen Mengengrenzen nur noch einen Anreicherungsgrad von knapp vier Prozent verfolgt – dies ist zum Betrieb von Reaktoren ausreichend, aber weit von der Waffenfähigkeit entfernt. Im Gegenzug verzichtet die Weltgemeinschaft schrittweise auf Sanktionen gegen das muslimische Land. Als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages reklamiert der Iran ein Recht auf die friedliche Nutzung von Atomkraft. (APA, 14.10.2017)