Bild nicht mehr verfügbar.

Regionalpräsident Carles Puigdemont schickte am Montag einen Brief an Madrid, bevor die erste Frist ablief.

Foto: AP Photo/Manu Fernandez

Weder ja noch nein. Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont hat die Frage, ob er denn nun am vergangenen Dienstag vor dem Autonomieparlament die Unabhängigkeit erklärt habe oder nicht, mit einem zwei Seiten langen Schreiben beantwortet: "Die Situation, die wir durchleben, ist von solcher Tragweite, dass sie nach politischen Antworten und Lösungen verlangt, die ihr entsprechen", beginnt Puigdemont seinen Brief, der Montagfrüh vor Ablauf des Ultimatums um 10 Uhr den Regierungspalast La Moncloa in Madrid erreichte. Die Mehrheit der Gesellschaft und auch Europa würden das von den beiden Konfliktparteien erwarten, ist sich Puigdemont sicher.

Der Chef der Generalitat (Autonomieregierung) bietet dem konservativen Premier Mariano Rajoy an, eine zweimonatige Dialogfrist auszurufen – wenn nötig mit internationalen Vermittlern. "Lassen wir nicht zu, dass sich die Situation weiter verschlechtert. Ich bin sicher, dass wir mit gutem Willen, der Anerkennung des Problems und mit klarem Blick einen Weg zur Lösung finden können." Puigdemont hatte in seiner Rede vom vergangenen Dienstag die katalanische Republik angekündigt, dies aber zur Förderung eines Dialoges sofort wieder ausgesetzt.

"Ich bedauere, dass Sie beschlossen haben, die Anfrage (...) nicht zu beantworten und somit nicht zu klären, ob irgendeine Autorität der Generalitat die Unabhängigkeit Kataloniens ausgerufen hat", antwortete Rajoy kaum zwei Stunden später schriftlich. Er will von einem Dialog nichts wissen, solange Puigdemont nicht zur "Legalität zurückkehrt". Einen Dialog könne es nur im Rahmen der derzeitigen Verfassung geben. Diese sieht ein Selbstbestimmungsrecht und damit ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens nicht vor.

Die spanische Regierung stellt daher ein neues Ultimatum: Puigdemont soll bis Donnerstag, 10 Uhr die entsprechende Klärung nachreichen. Wenn nicht, sei er "der einzig Verantwortliche für die Anwendung der Verfassung": Rajoy meint damit den Artikel 155 des spanischen Grundgesetzes, der es erlaubt, die Autonomiebefugnisse außer Kraft zu setzen. Eine der Möglichkeiten wäre, dass Madrid die Auflösung des katalanischen Parlamentes anordnet und Neuwahlen ausruft. Für diesen Fall haben die Parteien, die die Unabhängigkeit Kataloniens fordern, angekündigt, den Urnengang zu boykottieren. Sie stellen derzeit die knappe Mehrheit im katalanischen Parlament.

In die Verlängerung

Sollte Puigdemont auch über den Donnerstag hinaus zweideutig bleiben, sieht der weitere Fahrplan Rajoys vor, dass der Senat nach einer Sondersitzung des Kabinetts in Madrid über die Anwendung des Artikels 155 beraten wird. In dieser zweiten Kammer des spanischen Parlaments hat Rajoys Partido Popular die absolute Mehrheit und kann außerdem auf die Unterstützung des sozialistischen PSOE und der rechtsliberalen Ciudadanos setzen. Eine Verschärfung des sozialen Konflikts mit Massenmobilisierungen, Streiks und Blockaden scheint programmiert.

Haftantrag für Polizeichef

Unterdessen ist der katalanische Polizeichef Josep Lluis Trapero nach einer richterlichen Anhörung unter Auflagen wieder frei. Das verlautete am Montag aus Justizkreisen, nachdem die Staatsanwaltschaft in Madrid zuvor im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober für Trapero wegen "aufrührerischen Verhaltens" Untersuchungshaft beantragt hatte. Die Auflagen schreiben vor, dass Trapero das Land nicht verlassen darf und sich alle zwei Wochen bei Gericht melden muss. (Reiner Wandler aus Madrid, 16.10.2017)