Demonstranten protestieren gegen die Inhaftierungen.

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Madrid/Barcelona – Mit der Anordnung der Untersuchungshaft für zwei Anführer der Unabhängigkeitsbewegung hat sich der Katalonien-Konflikt weiter zugespitzt. Die spanische Justiz erließ am Montag Haftbefehl gegen die Anführer zweier einflussreicher Gruppen und ließ den katalanischen Polizeichef nur unter Auflagen auf freien Fuß.

Regionalpräsident Carles Puigdemont sprach von "politischen Gefangenen", sein Sprecher von einer "Provokation". In der Nacht gab es in ganz Katalonien Proteste.

Ein Richter am nationalen Strafgericht in Madrid hatte am Montag Untersuchungshaft für Jordi Sánchez und Jordi Cuixart an. Die Staatsanwaltschaft wirft Sánchez, Chef der Organisation Katalanische Nationalversammlung (ANC), und Cuixart, Chef von Omnium Cultural, aufrührerisches Verhalten vor. Die beiden Organisationen sind die einflussreichsten Gruppen von Unabhängigkeitsbefürwortern mit zehntausenden Mitgliedern.

Polizeichef unter Auflagen frei

Kataloniens Polizeichef Josep Lluís Trapero war zuvor unter Auflagen auf freien Fuß gekommen. Er darf Spanien nicht verlassen und muss sich alle zwei Wochen bei Gericht melden. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Antrag auf Untersuchungshaft für Trapero ebenfalls auf aufrührerisches Verhalten verwiesen. Darauf stehen bis zu 15 Jahre Haft.

Bei den Vorwürfen gegen Sánchez und Cuixart geht es um eine Demonstration am 20. September. Demonstranten hatten damals Angehörige der spanischen Guardia Civil stundenlang eingekesselt, als die Beamten wegen des Unabhängigkeitsreferendum Büros der Regionalregierung in Barcelona durchsuchten. Ihnen wird vorgeworfen, die Demonstranten angespornt zu haben.

Der Sprecher der Regionalregierung, Jordi Turull, nannte das Vorgehen eine Provokation. "Der Staat will provozieren. Aber die Leute lassen sich nicht provozieren", sagte er. Sánchez und Cuixart hätten lediglich zu friedlichen Demonstrationen aufgerufen.

"Politische Gefangene"

Ähnlich äußerte sich Puigdemont. "Spanien inhaftiert Anführer aus der Zivilgesellschaft, weil sie friedliche Demonstrationen organisiert haben", schrieb er auf Twitter. "Wir haben leider wieder politische Gefangene."

Bei dem verbotenen Referendum hatten sich 90 Prozent für eine Abspaltung ausgesprochen, die Wahlbeteiligung lag bei 43 Prozent. Am 10. Oktober unterzeichnete Puigdemont dann eine Unabhängigkeitserklärung, setzte diese aber umgehend wieder aus. Damit wollte er nach eigenen Worten einen Dialog mit der Zentralregierung anstoßen.

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte von Puigdemont eine Klarstellung darüber verlangt, ob dieser an jenem Tag die Unabhängigkeit Kataloniens erklärt hat oder nicht. Nach Ablauf der Frist am Montagvormittag setzte Rajoy dem Regionalpräsidenten ein neues Ultimatum: Puigdemont müsse bis Donnerstag, 10 Uhr "mit aller Klarheit, die die Bürger und das Gesetz verlangen", seine Position kundtun.

Streit eskaliert

Puigdemont hatte sich zuvor erneut für einen Dialog mit Madrid ausgesprochen. Er schlug Rajoy in einem Brief vor, alle Schritte hin zu einer Unabhängigkeit Kataloniens für zwei Monate auszusetzen. Rajoy lehnt jeglichen Dialog ab, solange die katalanische Regierung nicht aufhört, mit der Erklärung der Unabhängigkeit zu drohen.

Die Nachricht über die Untersuchungshaft für die beiden Anführer löste in der Nacht auf Dienstag Proteste in ganz Katalonien aus. Viele Menschen machten mit Kochtöpfen Lärm auf den Straßen. Auch außerhalb Kataloniens, etwa in Valencia, gab es Demonstrationen. Für Dienstagmittag riefen Aktivisten zu einer kurzen Arbeitsniederlegung auf, um die "Freilassung politischer Gefangener" zu fordern. Am späten Nachmittag soll es Kundgebungen vor den Präfekturen geben.

In der Nacht kam zudem ein Video in Umlauf, das Cuixart vor seiner Verlegung in Untersuchungshaft aufgenommen hatte. Darin sagt er, seine Organisation werde notfalls "im Untergrund" agieren – aber friedlich.

Gesetz zu Abspaltungs-Referendum endgültig gekippt

Das spanische Verfassungsgericht hat das Gesetz zum Unabhängigkeitsreferendum der Region Katalonien endgültig außer Kraft gesetzt. Bei der Verabschiedung des Gesetzes habe sich das Regionalparlament in Barcelona in illegaler Form Kompetenzen und Zuständigkeiten des spanischen Staates angeeignet, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Urteil. Zudem verletze das Gesetz Verfassungsprinzipien, die nationale Souveränität und die "unauflösliche Einheit des spanischen Nation". Bereits Anfang September war das Gesetz vom Gericht vorläufig aufgehoben worden. (APA, 17.10.2017)