Graz – Jeder Mensch trägt in seinem Genom tausende Mutationen in sich. Die meisten von ihnen bleiben erstaunlicherweise ohne Auswirkung auf die entsprechenden Genprodukte. Bisher ist weitgehend unklar, welche der unzähligen Veränderungen der DNA-Sequenz tatsächlich krankheitsfördernd bzw. die entscheidenden Akteure im Krankheitsprozess sind. Das wollen Forscher aus Graz und Berlin herausfinden.

Viele chronische Erkrankungen basieren auf einem komplexen Spiel von molekularen Interaktionen in der Zelle. Wechselwirkungen zwischen Proteinen sind hierbei für das Verständnis von Krankheitsmechanismen und für die Entwicklung neuer Medikamente von großem Interesse. Ulrich Stelzl vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Graz versucht mit seinem Team, den zellulären Prozessen und den ausschlaggebenden Störfaktoren, die den Erkrankungen zugrunde liegen, auf die Spur zu kommen.

Suche nach den "bad Playern"

"Tatsächlich weisen Individuen unglaublich viele kleine genetische Variationen auf. Langfristiges Ziel ist, herauszufinden, welche konkreten Effekte die Unterschiede im Genom haben und welche Variationen nicht entscheidend sind", schilderte Stelzl anlässlich seiner jüngsten Publikation im Fachmagazin "Nature Methods". Gemeinsam mit seinen Kollegen aus Berlin hat er eine Methode entwickelt, um die Rolle von Veränderungen in der DNA-Sequenz herauszufinden. So will man genau jene "Player" identifizieren, die zur Entstehung von Krankheiten beitragen können.

Die Forscher machen sich bei ihrer Arbeit die grundlegende Eigenschaft von Genen zunutze, dass diese im "Team" arbeiten: in Protein-Netzwerken. "Wir haben eine Methode entwickelt, mit der wir im großen Stil messen können, welche Variationen die Protein-Interaktionen verändern. So lassen sich Rückschlüsse auf die Urheber in Krankheitsprozessen in der Zelle ziehen", erklärte Erstautor Jonathan Woodsmith vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin.

Bäckerhefe als Helfer

Die Untersuchungen zu menschlichen Proteinwechselwirkungen wurden mit einer speziell entwickelten Technik möglich, dem sogenannten automatisierten Hefe-2-Hybrid-System. Hier arbeiten die Forscher mit Bäckerhefe, um große Genbanken mit Hilfe eines Arrayroboters zu durchforsten. Ziel ist es herauszufinden, ob bestimmte Proteine miteinander interagieren, bzw. durch welche Sequenzveränderungen das Teamwork gestört wird.

Die Methode ermögliche es laut den Autoren, unter den vielen veränderten Genen jene zu finden, sie sich besonders gut für die künftige Entwicklung von Therapien eignen könnten. Denn wenn die Urheber unter den genetischen Veränderungen gefunden werden, lasse sich auch nach Strategien suchen, um diese unschädlich zu machen. Die Forschungsarbeiten haben am Berliner Max-Planck-Institut ihren Ausgang genommen. Nach dem Umzug der Forschungsgruppe an die Uni Graz wurde das Projekt in der Steiermark weitergeführt und abgeschlossen. (APA, 23.10.2017)