Der Anruf kommt mitten in der Nacht. Ein Arbeiter eilt zur Fabrik, dort werden gerade Maschinen abtransportiert. Was tun? Die Unternehmerin kommt, tut blöd auf Werksfamilie und stellt eine neue Mitarbeiterin vor, zuständig für Human Resources. Ein Begriff, der davor in dieser Fabrik wohl noch nie verwendet worden war. Die Aufgabe der jungen Frau: den Mitarbeitern einer Firma, in der Aufzüge gebaut wurden, einen goldenen Handschlag einreden. Rund 10.000 Euro soll die Abfindung ausmachen, da kann man schon einmal schwach werden als Werktätiger ohne große Alternativen.

Aber die Mitarbeiter wollen sich nicht einfach so wegschicken lassen und diskutieren die Optionen: Streik? (Das Problem ist, dass de facto die Arbeit eingestellt ist, sie also niemand schaden, wenn sie nicht arbeiten.) Besetzung? (Es ist unklar, ob man eine halbleere Werkshalle unter Streikrecht besetzen kann – andernfalls wäre es einfach Hausfriedensbruch.)

Streik oder Besetzung? Der goldene Handschlag wird von diesen Mitarbeitern jedenfalls ausgeschlagen.
Foto: Viennale

Ausgehend von einem konkreten portugiesischen Fall wird in A fábrica de nada (The Nothing Factory) von Pedro Pinho das letzte Kapitel des Klassenkampfs noch einmal durchgespielt – die Protestformen nach dem Ende der Arbeit. Die Ausgangssituation ist jener, wie sie in den Arabian Nights sein portugiesischer Regiekollegen Miguel Gomes skizzierte, nicht unähnlich. Auch dort ging es um die Spannung zwischen einem Bedürfnis nach sozialer Verwaltung – also auch von Delegation der Daseinssorge an einen Staat oder Arbeitgeber, der dafür zunehmend die Verantwortung von sich weist – und den Chancen, die in der Freiheit liegen. In der Fabrik des Nichts wird etwas ganz Wesentliches hergestellt: denkbare Alternativen.

Pedro Pinho übernimmt diese Alternativen in die Form seiner filmischen Arbeit: Er begleitet die Figuren auch in das private Leben, vor allem einen Mann namens Ze, der mit einer Brasilianerin zusammenlebt und von dem wir auch Momente der Intimität erleben – im Bett, aber auch bei einem Konzert, bei dem er sich als im besten Sinn "hardcore" erweist.

Cine maldito

In den langen Diskussionen bringt sich auch ein Intellektueller ein, der Erfahrungen mit der argentinischen Selbstverwaltung hat und der damit eine Verbindung zu einem der wichtigsten Topoi der linken Praxis seit der Jahrtausendwende herstellen kann. In knapp drei Stunden wirft A fábrica de nada in unterschiedlichster Weise die Frage nach Räumen der Autonomie auf (in denen sich dann auch der Film selbst für eine Weile in ein Musical verselbstständigen kann), zeigt dabei aber gleichermaßen die Überforderung durch die Freiheit. Die alte linke Frage nach dem Subjekt (den Subjekten bzw. der Klasse) der Emanzipation wird hier auf originelle Weise neu durchdacht, und einmal mehr zeigt sich Portugal mit seinem Kino als eines der wichtigsten Experimentierfelder für neue Politiken. (Bert Rebhandl, 20.10.2017)