Die Sammlung des belgischen Holocaust-Überlebenden Arthur Langerman umfasst mehr als 8.000 judenfeindlicher Hassbilder. Das Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität (TU) Berlin will sie nun systematisch untersuchen.

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Berlin – Der belgische Holocaust-Überlebende Arthur Langerman hat in mehr als 50 Jahren eine einzigartige Sammlung judenfeindlicher Hassbilder zusammengetragen – über 8.000 Postkarten, Plakate, Skizzen und Gemälde. Nun hat er seine Sammlung dem renommierten Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität (TU) Berlin zur wissenschaftlichen Erforschung zur Verfügung gestellt.

Es sind widerliche Bilder, zum Teil getarnt als Karikatur: Da schickt ein Sensenmann sogenanntes jüdisches Pack zurück nach Jerusalem, ein Fettwanst mit Judenstern und Dollarzeichen auf dem Bauch erdrückt Frankreich, und einem jüdischen Gelehrten wachsen die Schlangen aus dem Kopf.

"Der Antisemitismus wird wieder stärker und stärker. Ich bin jetzt 75 Jahre und ich habe gedacht, ich muss etwas tun", sagt Langerman in Berlin. "Ich möchte, dass meine Sammlung bei der Ausbildung junger Menschen hilft, die wenig über das Thema wissen."

Chancen für die Emotionsforschung

TU-Präsident Christian Thomsen sprach von einem "Vertrauensbeweis" für die Wissenschafter des deutschlandweit einzigen Instituts für dieses Thema. Die Historikerin Stefanie Schüler-Springorum, die das Zentrum seit sechs Jahren als Nachfolgerin des NS-Experten Wolfgang Benz leitet, sieht dadurch große Chancen, die sogenannte Emotionsforschung zu stärken. "Emotionswörter spielen im Antisemitismus eine große Rolle. Die unterschiedlichen Emotionen wie Abscheu, Hass, Ekel und Neid sind aber kaum erforscht."

Für Langerman verband sich die Sammlungsarbeit mit ganz anderen Gefühlen. Er war eineinhalb, als seine Eltern in Antwerpen von der Gestapo festgenommen und nach Auschwitz gebracht wurden. Der Vater und fast drei Dutzend andere Familienangehörige starben in den Konzentrationslagern der Nazis, die Mutter kehrte verschlossen zurück. "Ich durfte nicht fragen. Bis 19 wusste ich nur, dass etwas Schreckliches passiert ist, aber ich wusste nicht was", erinnert sich Langerman.

Obsessiver Sammler

Erst 1961, im Jahr des Eichmann-Prozesses, erfuhr der Sohn die Wahrheit. "Ich fragte mich, was haben die Juden getan, dass sie so schrecklich behandelt werden? So habe ich angefangen, Bilder zu sammeln, die den Hass auf die Juden zeigten." Das Sammeln wurde zu einer Obsession. Inzwischen sind es Materialien aus mehr als 15 Ländern. Der historische Schwerpunkt reicht vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, geht zum Teil aber auch bis heute.

Für die Forschungsarbeit bekommt das Antisemitismus-Zentrum zwei neue Professuren. Der Historiker Uffa Jensen (Jahrgang 1969) übernimmt mit Geldern der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Heisenberg-Professur, die besonders antisemitische Gefühle systematisch untersuchen soll. Als erster Politologe kommt Samuel Salzborn (Jahrgang 1977) aus Göttingen für eine zweijährige Gastprofessur nach Berlin, die das Land finanziert.

Kaum Wissen über das Judentum

Langerman hat bei seiner jahrzehntelangen Suche ein erstes Ergebnis schon gefunden. "Antisemitismus ist Ignoranz", sagt er. "Die Leute wissen absolut nicht, was Juden sind und wie viele es auf der Welt gibt." So würden die meisten Gesprächspartner die Zahl der Juden auf hundert bis tausend Millionen schätzen. In Wirklichkeit seien es gerade erst wieder gut 14 Millionen.

Der Belgier hofft, seine Sammlung eines Tages vielleicht in eine gemeinsame Stiftung zu überführen. "Jetzt ist es eine Probe", sagt er. Die Erinnerung wird ihn gleichwohl nicht verlassen: "Ich lebe mit dem Krieg noch jeden Tag." (APA, 21.10.2017)