Obwohl die Monochrom-Monitore der 1980er-Jahre die Aktienkurse nur in Grün darstellten, war die Bilanz des Black Monday eine tiefrote.

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Wenn sich der Finanzminister der Vereinigten Staaten mit einem telefonischen Hilferuf an den Notenbankchef wendet, ist offenbar Feuer am Dach. Geschehen ist dies am 19. Oktober 1987, der als Schwarzer Montag der Wall Street in die Geschichte eingehen sollte: Unmittelbar nach Beginn des Handels erfasste ein Beben die New Yorker Börse, und die Kurse rasselten ungebremst in den Keller. Allein Alan Greenspan, damals erst seit zwei Monaten im Chefsessel der US-Notenbank Fed, konnte James Baker auch keine praktikable Lösung präsentieren.

"Der Crash war weit größer, als wir auch nur im Entferntesten erwartet hatten", sagte Greenspan rückblickend über den denkwürdigen Tag. "Uns wurde der Boden unter den Füßen weggezogen." Tatsächlich erlebte die Wall Street damals ihre dunkelsten Stunden: Sowohl der Dow-Jones als auch der marktbreite S&P-500-Index verloren mehr als ein Fünftel ihres Werts. "Ich hoffe, wir werden nie wieder so nah am Zusammenbruch sein", sagte der damalige Chef der New Yorker Börse, John Phelan.

Fulminante Börsenhausse

Nach den von Krisen geprägten 1970er-Jahren, in denen zwei Ölpreisschocks das Kursniveau dauerhaft am Boden gehalten hatten, setzte Anfang der darauffolgenden Dekade eine fulminante Börsenhausse ein. Im Jahr 1987 war diese so weit fortgeschritten, dass die anhaltenden Kursgewinne Moral und Vernunft der Wall-Street-Akteure beeinträchtigt hatten. "Gier ist gut", lautete das unter Börsianern geltende Credo.

Das Fusionskarussell drehte sich immer schneller, Übernahmen wurden mit hochspekulativen Junk-Bonds auf Pump finanziert und Insiderhandel galt als Kavaliersdelikt – wie die späteren Gerichtsverfahren gegen Wall-Street-Ikonen dieser Zeit wie Ivan Boesky und Michael Milken letztlich unter Beweis stellen sollten. Treffend zeichnete die vorherrschende Stimmungslage der 1987 erschienene Kinofilm Wall Street. Im Fokus stand der von Michael Douglas dargestellte Gordon Gekko – ein Börsenspekulant frei von Moral und Skrupel -, für den der kurz zuvor inhaftierte Boesky als Blaupause diente.

Junk-Bonds, Insider und Computerhandel

Die wenigen warnenden Stimmen verhallten damals zumeist nicht nur ungehört, sondern die Kassandrarufer sahen sich mitunter sogar Spott und Hohn ausgesetzt. Dabei hatte sich im Hintergrund bereits ein explosiver Cocktail zusammengebraut: Das Handelsdefizit der USA weitete sich aus, und die Inflation verharrte auf hohem Niveau, sodass sich die Notenbank genötigt sah, erstmals nach drei Jahren den Leitzins wieder zu erhöhen. Der Dollar stand unter Druck, und ein Konflikt mit dem Iran lag in der Luft. Zusätzliche Sprengkraft wurde der Lage durch das Aufkeimen des Computerhandels verliehen. Experten gehen davon aus, dass dem Abwärtsstrudel dadurch zusätzlicher Schwung verliehen wurde.

In der Vorwoche des Crashs hatten sich die Warnsignale jedenfalls bereits verdichtet. Die Kurse gerieten ins Rutschen, als sich Washington auch noch anschickte, Steuererleichterungen für Unternehmensfusionen zu kippen. Bereits am Freitag jener Woche knickte das Kursniveau an der Wall Street um mehr als fünf Prozent ein. Am Schwarzen Montag trudelten vor Beginn der Börsensitzung die Verkaufsaufträge derart massiv ein, dass der Handel mit den meisten Aktien erst mit deutlicher Verspätung aufgenommen wurde. Und die Kurse sanken im Verlauf unaufhörlich weiter – die Gier wurde von Panik abgelöst.

Nach dem Black Monday kam der Terrible Tuesday. Inzwischen hatte die Panik auch andere Weltbörsen erfasst, und die Wall Street lag ein weiteres Mal tief in der Verlustzone. Die Trendwende setzte erst ein, als sich genug mutige Investoren fanden, die den Ausverkauf als Chance verstanden. Der Markt beendete den Handelstag sogar mit Kursgewinnen, die unmittelbare Gefahr war gebannt. Zwölf Monate später war auch die befürchtete Rezession ausgeblieben, und die Verluste des Black Monday waren wieder aufgeholt. Und die Aktienhausse dauerte noch lange an – nämlich bis zu den Verwerfungen nach dem Internethype des ausklingenden Jahrtausends. (Alexander Hahn, 19.10.2017)