Insolvenzdaten sollen EU-weit zugänglich sein. Doch in vielen Ländern hakt es noch.

Illustration: Davor Markovic

Die kürzlich in Kraft getretene novellierte EU-Insolvenzverordnung (EuInsVO neu) sieht vor, dass alle Mitgliedstaaten der EU ein für jedermann zugängliches und gebührenfreies Online-Insolvenzregister unterhalten müssen. Zweck dieser Bestimmung ist die Verbesserung der Information der Gläubiger und generell der Schutz des Geschäftsverkehrs. Weiters sollen parallele Insolvenzverfahren in mehreren Mitgliedstaaten vermieden werden.

Zu veröffentlichen sind unter anderem das Datum der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das zuständige Gericht, Name und Kontaktdaten eines Verwalters und die Frist für die Geltendmachung von Forderungen der Gläubiger. Letzteres ist von besonderer Bedeutung, da die Anmeldefristen in den einzelnen europäischen Rechtsordnungen unterschiedlich lang sind.

Auch die Konsequenzen einer nicht fristgerechten Anmeldung differieren. Während in Österreich eine Forderungsanmeldung im Regelfall auch nach Ablauf der Anmeldefrist möglich ist, kann in anderen Ländern, insbesondere den östlichen Nachbarstaaten, die Fristversäumnis zu einem Verlust der Forderung oder einer Sicherheit führen.

Der Countdown läuft

Den Mitgliedstaaten wird in der EuInsVO neu eine Frist für die technische Umsetzung der Einrichtung von Insolvenzregistern bis zum 26. Juni 2018 gewährt. Innerhalb eines weiteren Jahres, das heißt bis 26. Juni 2019, müssen die nationalen Insolvenzregister im Wege des Europäischen Justizportals vernetzt werden.

Aus österreichischer Sicht erscheint es erstaunlich, dass die Einrichtung von Insolvenzregistern in anderen Mitgliedstaaten einer Anordnung durch die EuInsVO neu bedarf. Österreich, generell ein Vorreiter beim Einsatz von elektronischen Medien in der Justiz, hat bereits im Jahr 2000 ein elektronisches Insolvenzregister eingeführt, die sogenannte "Insolvenzdatei", abzufragen unter www.edikte.justiz.gv.at.

Seit 1. Jänner 2000 erfolgt der Anschlag des Konkurs- beziehungsweise Insolvenzedikts nicht mehr an der Gerichtstafel. Ein Insolvenzverfahren kann nur durch Aufnahme in die elektronische Insolvenzdatei wirksam eröffnet werden. Wann der Insolvenzeröffnungsbeschluss dem Insolvenzschuldner oder Gläubigern tatsächlich zugestellt wird, ist unerheblich.

Die Veröffentlichung in der Insolvenzdatei soll den Geschäftsverkehr schützen, umgekehrt wird von Unternehmen, und zwar auch von Kleinunternehmen, erwartet, dass sie regelmäßig Einsicht in die Insolvenzdatei nehmen, andernfalls handeln sie sorgfaltswidrig. Die Konsequenz einer Unterlassung der Einsichtnahme ist, dass an den Schuldner statt an den Insolvenzverwalter geleistete Zahlungen im Regelfall nicht schuldbefreiend sind.

Vorbilder und Nachzügler

Nicht alle Mitgliedstaaten der EU verfügen bereits über ein den Bestimmungen der EuInsVO neu entsprechendes Insolvenzregister. Neben Österreich sind Länder wie die Niederlande, die baltischen Staaten, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Schweden und auch Deutschland vorbildlich.

In Deutschland besteht allerdings die Besonderheit, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen zwei Wochen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine ausschließliche Suche mit dem Namen des Schuldners, wie das in Österreich Standard ist, nicht zum Erfolg führt. Nach zwei Wochen muss man in der Suchmaske das zuständige Amtsgericht anklicken, zu welchem man erst nach Auswahl des Bundeslandes, in dem dieses liegt, gelangt. Gute Kenntnisse der deutschen Geografie sind daher von Vorteil.

Andere Staaten wie Bulgarien, Italien, Luxemburg und Polen verwenden für die Veröffentlichung von Insolvenzverfahren – derzeit noch – das jeweilige Handelsregister. Der Umfang der veröffentlichten Daten differiert, er kann sich auf den Umstand der Verfahrenseröffnung beschränken. Wiederum andere Länder wie Irland und Großbritannien unterhalten unterschiedliche Register, ebenso Frankreich und Schweden, wobei Letztere wesentliche Informationen aus diesen Registern in einem Online-Amtsblatt veröffentlichen (BODACC – bulletin officiel des annonces civiles et commerciales in Frankreich und Post- och Inrikes Tidningar in Schweden). Das Schlusslicht bildet Griechenland, wo bisher keinerlei Online-Register eingerichtet wurde.

Während in Österreich und anderen Staaten – wie Deutschland, Italien, Kroatien, Lettland, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien – das Insolvenzverfahren erst mit der Veröffentlichung im Insolvenzregister als wirksam eröffnet gilt, dient in anderen Staaten – wie in Belgien, Bulgarien, Estland, teilweise Frankreich, Irland, Litauen, Luxemburg, den Niederlanden, Polen, Portugal, Schweden – die Veröffentlichung reinen Informationszwecken. Nach der EuInsVO neu richtet sich die Wirkung der Veröffentlichung nach dem jeweiligen nationalen Recht, sie muss aber so bald wie möglich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen.

"So bald wie möglich" ist ein dehnbarer Begriff: Wie eine von Taylor Wessing vorgenommene europaweite Recherche zeigt, wird darunter je nach Land ein Zeitraum von einem Tag (so in den Niederlanden) bis zu vier Monaten (so derzeit noch in Polen) verstanden.

30 Tage Anmeldefrist

Zum Schutz ausländischer Gläubiger ordnet die EuInsVO allerdings an, dass diese (soweit bekannt) einerseits vom Gericht oder Insolvenzverwalter direkt zu verständigen sind, andererseits die Anmeldefrist mindestens 30 Tage nach Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung im nationalen Insolvenzregister betragen muss.

Insofern besteht ein gewisser Anreiz für die jeweiligen Mitgliedstaaten, den Begriff "sobald als möglich" eher eng auszulegen, andernfalls würden unterschiedliche Anmeldefristen für inländische und ausländische Gläubiger gelten.

Die große Frage bleibt aber, ob es allen Mitgliedstaaten gelingen wird, bis kommenden Sommer ein den Vorgaben entsprechendes Insolvenzregister einzurichten. Nur wenn dieser erste Schritt rechtzeitig umgesetzt wird, kann eine europaweite Vernetzung durch das Europäische Insolvenzportal bis Mitte 2019 erfolgen. (Susanne Fruhstorfer, Wirtschaft & Recht Journal, 24.10.2017)