Für Sebastian Kurz gibt es derzeit nur eine Option: Türkis-Blau. Sein erster Ansprechpartner ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, vertiefende Gespräche hat es offenbar bereits gegeben. Inhaltlich liegen ÖVP und FPÖ ohnedies nicht weit auseinander. Was den Grenzschutz, die Reduzierung der (illegalen) Zuwanderung auf null, die Ausweisung nicht anerkannter Flüchtlinge sowie die beabsichtigte Reduzierung oder Streichung von Sozialleistungen für Ausländer betrifft, reichen Kurz und Strache einander die Hände.

Mit einem Ausbau der direkten Demokratie, wie von der FPÖ gefordert, kann man in der ÖVP gut leben, auch den Verlust des Innenministeriums würde man hinnehmen, selbst wenn man damit die auch parteipolitisch wichtige Kontrolle über den Polizeiapparat abgeben muss. Dass ein freiheitlicher Innenminister dann alle Grausamkeiten gegen Ausländer und die sich daraus auch immer ergebenden tragischen Einzelfälle argumentieren muss, kommt der ÖVP durchaus entgegen. Das wird nicht immer für Applaus sorgen. Schön, wenn der andere noch böser ist und die politische Drecksarbeit selbst erledigt.

Im Grunde werden nur noch Scheingefechte ausgetragen. ÖVP und FPÖ sind bereits vor dem offiziellen Start von Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen so gut wie einig, es geht nur noch um Details. Eine allfällige Mehrparteienregierung, wie sie Kurz noch vor der Wahl in Betracht gezogen hat, ist mit dem Ausscheiden der Grünen hinfällig geworden. Die SPÖ läuft mit ihren Spekulationen, ob nicht doch noch etwas ginge, jedenfalls ins Leere. Die ÖVP will ganz dezidiert nicht mit den Roten, und die FPÖ wird sich hüten, sich an einem Kriterienkatalog von der roten Basis prüfen zu lassen und als Dritte den Zweiten zum Kanzler zu machen.

Selbstzerfleischung der Roten

Dennoch und gerade deshalb lässt es sich die ÖVP nicht nehmen, ihre Finger tief in die Wunden der Sozialdemokraten zu legen und dort genüsslich zu bohren. Damit desavouiert Kurz ganz gezielt den von ihm auch gar nicht geschätzten Christian Kern, der sich innerparteilich gerade an der ohnedies höchst theoretischen Frage aufreibt, ob denn eine Koalition der SPÖ mit der FPÖ möglich sei. Die öffentlich ausgetragene Selbstzerfleischung der Roten versüßt den Schwarz-Türkisen dieser Tage ihren Wahlsieg zusätzlich.

Auch aus diesem Grund werden die Koalitionsverhandlungen nicht ganz so schnell abgeschlossen werden: Die ÖVP kostet das Drama der SPÖ aus und tut alles, um den parteiinternen Konflikt bei den Roten zu befeuern. Denn grundsätzlich sei man bereit, auch mit der SPÖ zu reden. Nur nicht mit Christian Kern. Gerne mit Hans Peter Doskozil oder anderen. Das darf und soll die SPÖ ruhig wissen.

Diese Nachricht sorgt bei den Sozialdemokraten für weitere Unruhe, da es dort einen starken Flügel gibt, der nach wie vor in die Regierung strebt. Selbst wenn sich Kern alles offenhalten will, scheint klar, dass es mit ihm nicht gehen wird. Und Doskozil ließe sich nicht lange bitten – er schiebt schon ordentlich an.

Die Sozialdemokraten bekommen es offenbar nicht mit, aber sie demütigen sich mit ihrer versuchten Anbiederung an Türkis oder Blau gerade selbst. Sie sollten sich besser erhobenen Hauptes auf ihre neue Rolle vorbereiten. Gerade nach dem Ausscheiden der Grünen aus dem Parlament wird es eine starke und glaubwürdige Opposition in diesem Land brauchen. (Michael Völker, 19.10.2017)