Der erste Film der Viennale 2017: "Lucky" von John Carroll Lynch.

Foto: Viennale

Noch zwanzig Minuten nach offiziellem Beginn der 55. Viennale im Wiener Gartenbaukino am Donnerstagabend feilschten die Fans auf der Warteliste mit teils an sich schon filmreifen Abenteuergeschichten um die wenigen verbliebenen Tickets.

Im Saal standen die Eröffnungsreden ganz im Zeichen des Gedenkens an den im Sommer plötzlich verstorbenen Festivalleiter Hans Hurch, der immerhin noch drei Viertel des Programms selbst erstellte. Man merkt, diese Viennale ist ganz besonders, das Team durch das Narrativ des Schicksals und den daraus folgenden Herausforderungen zusammengeschweißt, wie Geschäftsführerin Eva Rotter in ihrer Rede deutlich erkennen lässt. Das Publikum – oder eher die Viennale-Familie – fühlt mit.

Interimsleiter Franz Schwartz, der das Steuer scheinbar nahtlos ohne Auslassung nur eines einzigen Frames übernommen und den Kahn erfolgreich in den Hafen geführt hat, hält dem dem Verstorbenen noch eine letzte posthume Standpauke zur Schonung dessen Gesundheit, wie sie nur unter Freunden möglich ist. Und tatsächlich hat man das Gefühl, dass Hurch hier ist, sein Fehlen ihn nun noch anwesender macht. Die Intimität im Raum ist fast gespenstisch, aber man fühlt sich geehrt, Teil dieses Moments sein zu dürfen.

Eröffnungsreden und Eröffnungsfilm

Auch die Politik fehlt nicht. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny verdeutlicht die Rolle des Kinos als Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit dem Fremden als Bereicherung. Und auch Viennale-Präsident Eric Plescow, aus gesundheitlichen Gründen in den USA verblieben, lässt einen Brief verlesen, in dem er Vergleiche zu den 2000er-Jahren unter Wolfgang Schüssel zieht. Er betont dann aber, er sage seinen Freunden, die um das politische Wohl Österreichs besorgt sind, dass Heinz-Christian Strache im Vergleich zu US-Präsident Donald Trump beinahe ein Kommunist sei. Zynismus und Galgenhumor in Zeiten des Ausnahmezustands: Vom Wiener Filmfestival bis zur Weltpolitik.

Auch der Eröffnungsfilm "Lucky" von John Carroll Lynch entführt sein Publikum in eine entschleunigte Meditation auf die Vergänglichkeit des eigenen Lebens und dient paradoxerweise gerade durch seine Offenheit in der Auseinandersetzung mit dem Tod als Trostspender. Balsam auf die Seele, vor allem als der geniale Hauptdarsteller Harry Dean Stanton, der den fertigen Film selbst nicht mehr erleben konnte, auf den Unterschied zwischen "alleine sein" und Einsamkeit verweist und ersteres auf den etymologischen Ursprung "Alle eins" zurückführt. Es bleibt nur die Gewissheit: The times they are a changing. (Robert Jolly, 20.10.2017)