"Weil ich genug wusste, hätte ich mehr tun können." Die New York Times titelt ihr Interview mit Regisseur Quentin Tarantino zur Causa Harvey Weinstein zu Recht mit einem Satz, in dem das ganze Gefälle von gestern zu heute enthalten ist. Nun bereut Tarantino, dass er die Verfehlungen seines Produzenten unter dem anachronistischen Bild eines Sekretärinnenschürzen jagenden Firmenchefs der 1950er-Jahre verbucht hat. Er habe die Taten dadurch marginalisiert.

Doch etwas zu realisieren und etwas öffentlich auszusprechen, oder auch: aussprechen zu können, das sind eben zwei voneinander getrennte Prozesse. Dazwischen muss sich eine Kultur der Auseinandersetzung etablieren, damit das, was viele wissen, aber nicht teilen konnten, öffentlich sagbar wird: eine Welle der Empörung, die am Ende den Einzelfall übersteigt, ja über die patriarchalisch bestimmte Welt des Films noch hinausschwappt.

Die Solidarität von vielen ist zuallererst für die Opfer selbst unentbehrlich. Sie benötigen, wie die US-Schauspielerin Lupita Nyong'o in einem Kommentar schrieb, eine Schwestern- und Bruderschaft von Gleichgesinnten, um nicht ein zweites Mal missbraucht zu werden, wenn sie sich endlich deklarieren und dann nicht ernst genommen werden. Soziale Medien leisten mit ihrer (halb)privaten Öffentlichkeit hier einmal einen guten Dienst und beschleunigen diesen Schulterschluss für eine Wende. (Dominik Kamalzadeh, 20.10.2017)