Peter Pilz über ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz: "Er ist weder für das Unternehmen noch für das ORF-Gesetz tragbar."

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STANDARD: Nachdem Sie den Einzug ins Parlament geschafft haben: Ist Ihr Grant auf den ORF verflogen?

Pilz: Das ist kein Grant, sondern ein grundsätzliches Problem der ORF-Führung. Im ORF gibt es tolle Redakteurinnen und Redakteure, aber die Spitze macht Regierungsfunk. Das geht nicht, und der ORF muss von dieser Regierungsgeschäftsführung befreit werden.

STANDARD: Befreit heißt, dass Sie dafür plädieren, ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz abzusetzen oder abzuwählen?

Pilz: Ja, er ist weder für das Unternehmen noch für das ORF-Gesetz tragbar.

STANDARD: Theoretisch könnte ihn der ORF-Stiftungsrat mit einer Zweidrittelmehrheit abwählen, was im Falle einer schwarz-blauen Regierung möglich sein könnte. Würden Sie mit Ihrem Stiftungsrat, der der Liste Pilz zusteht, mitgehen?

Pilz: Es muss größere Ziele geben, nämlich die Unabhängigkeit des ORF zu stärken – und nicht anstelle eines roten Parteisoldaten einen schwarz-blauen hinzusetzen. Insofern muss man sich das genauer ansehen.

STANDARD: Sie möchten ja am liebsten den Stiftungsrat abschaffen und den ORF neu organisieren. Was schwebt Ihnen vor?

Pilz: So etwas Ähnliches wie bei der BBC. Wir brauchen ein Modell mit der Aussicht eines sich selbst ergänzenden Stiftungsrats, ausgehend von einem Gründungsstiftungsrat, der unabhängig von Regierung und Parteien agiert und einzig und allein die Interessen des Unternehmens vertritt und die gesetzlichen Anforderungen an das Unternehmen. Nur das garantiert ein Maximum an Unabhängigkeit.

STANDARD: Wie könnte der Stiftungsrat konstituiert sein? Aus Vertretern der Zivilgesellschaft?

Pilz: Das muss man sich sehr genau ansehen. Es könnte auch so etwas wie einen großen Gründungsakt geben, an dem das Parlament beteiligt ist. Über das Auswahlverfahren muss man reden, um das beste Ergebnis zu erzielen, aber wenn es das einmal gibt, ist die Unabhängigkeit auf lange Sicht garantiert.

STANDARD: Sie hatten im Vorfeld angekündigt, die ORF-Elefantenrunde am Wahlabend zu boykottieren, sind aber dann doch aufgetaucht. Warum der Sinneswandel?

Pilz: Zur ersten Runde bin ich nicht hingegangen, zur zweiten erst verspätet. Es gab zwei Gründe. Erstens hat mich mit Hans Bürger ein ausgezeichneter ORF-Redakteur davon überzeugt, dass es zwar nicht für das Unternehmen, aber für die Zuseher wichtig ist, dass diese Runde komplett ist. Zweitens hatte ich die Möglichkeit, sehr viele Seher dann zur großen Diskussion bei Puls 4, ATV, Servus TV und Schau TV mitzunehmen.

STANDARD: Als Quotengarant, der Werbung für die Privatsender macht?

Pilz: Es geht nicht um Werbung, sondern darum klarzumachen, dass die Zeiten der Alleinherrschaft des ORF vorbei sind. Für die freie Berichterstattung waren die Konkurrenten des ORF viel wichtiger als der ORF selbst. Das respektiere ich, und die Privaten haben gezeigt, wie objektive Information funktioniert, der ORF hat da leider versagt.

STANDARD: Sie spielen auf Ihre Nichtberücksichtigung für die TV-Konfrontationen im ORF und die Elefantenrunde an? Der ORF argumentiert mit dem Klubstatus, der gegeben sein muss.

Pilz: Klar, wenn man eine Fraktion, die gute Chancen auf den Einzug hat, vollkommen ausschließt, dann ist das ein Verstoß gegen das Objektivitätsgebot. Das Tolle ist, dass wir gezeigt haben: Wir brauchen keinen ORF, um in Österreich politisch Großes erreichen zu können. Sogar unter den Bedingungen einer totalen ORF-Zensur haben wir den Einzug geschafft. Das ist ein Zeichen von Stärke und ein wichtiges Signal für die Zukunft, dass es kein alles umfassendes Monopol mehr gibt.

STANDARD: Nach welchen Kriterien sollen Einladungen dann erfolgen? Basierend auf Umfragen?

Pilz: So wie es ARD und ZDF machen. Die geben Umfragen in Auftrag, um zu sehen, wer reelle Chancen auf den Einzug ins Parlament hat. Nach den Regierungsregeln des ORF hätte das Team Stronach einen Platz in sämtlichen Diskussionen gehabt und wir nicht, das ist vollkommen absurd. Würde man die ORF-Regeln in Deutschland und Frankreich anwenden, hätten weder Macron noch die FDP an irgendwelchen Fernsehdiskussionen teilnehmen dürfen.

STANDARD: Vor der nächsten Nationalratswahl könnte es zur paradoxen Situation kommen, dass die Grünen, ihre ehemalige Partei, nicht an TV-Debatten teilnehmen dürfen. Sollen sie vom ORF eingeladen werden?

Pilz: Das nächste Mal könnten die Grünen in dieser Situation sein, sollten die Umfragen auf einen Wiedereinzug hindeuten, was ich durchaus für möglich halte. Dann haben sie selbstverständlich ein Recht, an den Diskussionen teilzunehmen.

STANDARD: Auch bei Umfragen müsste ein Kriterium definiert werden. Wo soll die Grenze liegen? Bei zwei, drei Prozent?

Pilz: Wo die Grenze bei der Relevanz gelegt wird, ist eine Frage, die man genau bestimmen muss, aber in unserem Fall war es nie eine Frage von zwei, drei Prozent, sondern eher von fünf oder sechs Prozent, und da war dieser Ausschluss vollkommen absurd. Der ORF hat sich ins eigene Knie geschossen. Es hat sicher nicht uns, sondern dem ORF selbst geschadet.

STANDARD: In welcher Hinsicht? Quote? Renommee?

Pilz: Der ORF hat sicher auf eine bessere Quote verzichtet und hat sich den Ruf, eine unbestechliche, objektive Anstalt zu sein, gründlich ruiniert.

STANDARD: Der ORF beruft sich auf die Entscheidung der Medienbehörde und den Verwaltungsgerichtshof, der nach einer Neos-Beschwerde feststellte, dass der ORF einladen darf, wen er möchte.

Pilz: Das ist alles Quatsch. Die Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes, die die Bildung eines Klubs in der laufenden Legislaturperiode verbietet, ist praktisch ein Totalverbot für alles, was neu ist. Im Nationalrat gibt es seit 2013 eine geänderte Situation, und der ORF hat einfach die Augen zugemacht und gesagt: Regierung befiehl, wir machen alles.

STANDARD: Als Revanche haben Sie dem ORF die Akkreditierung für Ihre Wahlfeier verweigert, was einige als Torpedierung der Pressefreiheit empfunden haben. Sie nicht?

Pilz: Da hat sich der ORF von seiner kabarettistischen Seite gezeigt. Wir sind drei Monate aus einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgesperrt worden, da hatte der ORF kein Problem. Kaum ist er fünf Minuten ausgesperrt von einer privaten Wahlparty, zettert der Kommentator, dass die Pressefreiheit gefährdet ist. Das fällt in den Bereich der Schrulligkeit.

STANDARD: Manche haben gemeint, das erinnert eher an FPÖ-Usancen, unliebsame Journalisten nicht dabeihaben zu wollen.

Pilz: Es ist schön, dass der ORF eine neue Sensibilität entwickelt.

STANDARD: Sie werden künftig auch einen Stiftungsrat in den ORF entsenden. Wissen Sie bereits, wer die Liste Pilz vertreten wird?

Pilz: Darüber haben wir noch nicht gesprochen.

STANDARD: Welche Anforderungen würden Sie ihr oder ihm auf den Weg geben?

Pilz: Mit möglichst hoher persönlicher und sachlicher Qualifikation alles zu tun, um die Unabhängigkeit des ORF zu stärken und das Regierungsmanagement abzuschaffen.

STANDARD: Sie haben vor der Wahl angekündigt, den ORF zu klagen. Ist das Vorhaben noch aufrecht?

Pilz: Wir warten zuerst unsere Verfassungsgerichtshofbeschwerde ab. Da geht es um die Benachteiligung der Abgeordneten, die keinen neuen Klub bilden dürfen. Sind wir da erfolgreich, kommt der ORF dran.

STANDARD: Da geht es um Schadenersatz in Millionenhöhe?

Pilz: Das weiß ich noch nicht, und es dürfte keine so große Rolle spielen. Der Schaden ist ja nicht so groß, da wir in den Nationalrat eingezogen sind. Das war eher für den Fall gedacht, dass wir durch das Verhalten des ORF nicht einziehen. Wir bewerten die Lage, wenn das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vorliegt.

STANDARD: Namhafte Juristen geben der Klage gegen den ORF keine großen Erfolgschancen.

Pilz: Es gibt auch namhafte Juristen, die sagen, dass wir gute Aussichten haben. Zuerst ist aber die VfGH-Beschwerde an der Reihe, und dann gibt es eine völlig neue Situation. Namhafte Juristen werden es sich dann noch einmal überlegen müssen. (Oliver Mark, 21.10.2017)