Auch Forscherin und Forschungsteilnehmerin scheinen sich gut verstanden zu haben: Anne Pisor mit der bolivianischen Bäuerin Francisca Oye.

Foto: Anne Pisor

Leipzig – In die Medien schaffen es im Normalfall nur die Feindschaften zwischen Menschen, die unterschiedlichen Gruppen angehören. Und wenn es gar zu Gewalt, zu Mord und Totschlag kommt, dann ist das vielleicht sogar eine Überschrift wert.

Dennoch schlossen und schließen Menschen seit jeher Freundschaften auch über Gruppenzugehörigkeiten hinweg. Doch nach welchen Kriterien wählen sie Freunde aus, die einer anderen Gruppe angehören?

Experimente aus der Verhaltensökonomie

Diese Fragen untersuchte Anne Pisor (Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie) gemeinsam mit Michael Gurven (University of California Santa Barbara) in Zusammenarbeit mit Bauern in Bolivien – und mittels Experimenten, wie sie aus der Verhaltensökonomie bekannt sind: Die Versuchsteilnehmer erhielten Geld, das diese an Fremde aus derselben oder einer anderen ethnischen oder religiösen Gruppe weitergeben oder für sich behalten konnten.

Jedem Teilnehmer wurden Bilder dieser Personen gezeigt und gesagt, dass das Geld diesen Personen im Namen des Teilnehmers überreicht würde. Pisor forderte die Teilnehmer außerdem auf, ihre Wahrnehmung der einzelnen Kandidaten in mehreren Bereichen zu beschreiben und die Vorteile, Kosten und Stereotypen zu benennen, die sie mit der Gruppe des Empfängers verbinden.

Hauptkriterium: "Guter Mensch"

Den Forschern fiel auf, dass die Teilnehmer, unabhängig davon, ob die potentiellen neuen Freunde aus ihrer eigenen oder einer anderen Gruppe stammen, denjenigen bevorzugt Geld zukommen ließen, die sie für "gute Menschen" hielten (entspricht im bolivianischen Spanisch der Bedeutung "freundlich und offen").

Wie die Forscher im Fachblatt "Evolution and Human Behavior" schreiben, zeigte sich ein eindeutiger Trend: Geld wurde bevorzugt an jene Personen weitergegeben, die für "gute Menschen" gehalten wurden, ganz egal, ob sie der eigenen oder der anderen Gruppe angehörten. "Gute Menschen" wurden dabei stets als freundlich und offen beschrieben.

Allgemeine Schlussfolgerungen

Zwar würden sich die Ergebnisse speziell auf den bolivianischen Kontext beziehen, räumt Anne Pisor ein. Dennoch könne man daraus allgemeinere Schlüsse ziehen: "Individuelle Eigenschaften sind in diesem Zusammenhang wichtiger als Gruppeneigenschaften, und Kooperationsbereitschaft ist besonders wichtig." (tasch, 20.10.2017)