Im Saal zur Sammlerlust der Habsburger wird Franz Ferdinands Spleen, Objekte meist in dutzendfacher Ausführung zu erstehen, ironisiert abgebildet.

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Den klassischen, in Schwarz gehaltenen Präsentationsräumen werden weiße Säle gegenübergestellt, in denen das jeweilige Thema (Migration, Kolonialismus oder die Wiener Schule der Völkerkunde) diskursiv und mit Blick auf die Gegenwart behandelt wird.

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Der Saal zur Südsee-Faszination gibt einen Einblick in die weltbekannte ethnografische Sammlung des englischen Weltumseglers James Cook, die 1806 in London ersteigert wurde.

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Als wertvollstes Stück aus den Sammlungen des Weltmuseums gilt ein aztekischer Federkopfschmuck aus dem frühen 16. Jahrhundert. Eine mögliche Rückgabe an Mexiko stand in der Vergangenheit mehrmals im Raum. Gutachter beider Länder haben jedoch festgestellt, dass das Objekt einen Transport nicht unbeschadet überstehen würde.

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Er leide an "Museomanie", sagte der habsburgische Thronfolger Franz Ferdinand über seine Sammlerlust und den Spleen, Artefakte aus aller Welt ungeachtet der prekären Wiener Staatsfinanzen stets in Bausch und Bogen anzukaufen. Wie die beiden anderen Erzherzöge Maximilian von Mexiko und Kronprinz Rudolf hatte er im späten 19. Jahrhundert die Welt bereist, um die seit 400 Jahren am Hof zusammengetragenen Kulturschätze "fremder Völker" zu vermehren, zu erforschen und freilich auch, um damit zu prahlen.

Alle drei Weltreisenden, auf deren Erwerbungen große Teile der heutigen ethnografischen Sammlung der Republik Österreich beruhen, ereilte ein gewaltsames Schicksal. Alle drei starben sie durch eine Kugel. Maximilian wurde in Mexiko hingerichtet, Rudolf nahm sich mutmaßlich in Mayerling selbst das Leben, Franz Ferdinands Ermordung in Sarajevo entzündete den Ersten Weltkrieg.

Die Geschichte des habsburgischen Sammlerwahns ist nur eine von vielen, die im neuen Weltmuseum Wien erzählt werden, das am Mittwoch mit einem Fest auf dem Heldenplatz eröffnet wird. Nach über zehn Jahren partieller Schließung und dreijähriger Komplettumbauphase ist das frühere Völkerkundemuseum kaum wiederzuerkennen.

Weltmuseum Wien

Einzig der Ort, das ursprünglich als imperialer Wohntrakt geplante Corps de Logis der Neuen Burg am Heldenplatz, ist derselbe geblieben. 1912 entschied Franz Ferdinand, seine Sammlung in den Räumen rund um die schönste und hellste Marmorsäulenhalle Wiens unterzubringen. Seit 1928 war der Trakt als Völkerkundemuseum öffentlich zugänglich.

Die Verpflichtung zur umfassenden Erneuerung dieser Museen ergibt sich in ganz Europa aus den Zäsuren, die die zugehörige Forschung, die Ethnologie, erlebt. Rassentheoretischer Mief und Nationalismus sind passé, die eurozentristisch-koloniale Weltsicht wird nach Kräften bekämpft. Museen tragen dem Rechnung.

Schwer tut man sich derzeit in Berlin, wo beim geplanten Riesenprojekt Humboldt-Forum noch nach dem richtigen Umgang mit Fragen der kolonialen Vergangenheit der Objekte gesucht wird. Wien zeigt vor, wie das gelingen könnte. Denn obwohl die Habsburgsammlungen – im Gegensatz zu den deutschen – nicht durch die Existenz eigener Kolonien, sondern hauptsächlich durch den Umweg des Handels belastet sind, entschied man sich für ein offensives Aufgreifen der Thematik.

Themen ins Heute spiegeln

14 Säle umfasst die Dauerausstellung des Weltmuseums. Geordnet sind sie im Gegensatz zu früher weniger nach regionaler Zuschreibung, vielmehr nach Themen. "Im Schatten des Kolonialismus" ist eines davon. Ein ganzer Saal beschäftigt sich ungeschönt damit, wie das Weltmuseum von Kolonialmächten profitierte. Bis ins Heute wird das Thema weitergesponnen, auch Restitution wie die Rückgabe von Objekten an neuseeländische Maori 2015 wird angesprochen.

Diskursivere Säle wie dieser sind farblich in Weiß gehalten: "Kulturkampf in Wien" beschäftigt sich mit dem Irrweg der völkerkundlichen "Wiener Schule", die zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchte, christliche Dogmen wie die Monogamie "wissenschaftlich" durch Rückgriffe auf "Urvölker" zu untermauern. Der Saal "Welt in Bewegung" behandelt Migration und Globalisierung. An vielen Stellen erzählen Mitglieder der Herkunftsregionen mittels Videostatements ihre eigene Sicht der Dinge, wodurch aus einem "Museum über sie" ein "Museum mit ihnen" wird. Den Nordamerikasaal kuratiert ein "American Native" gleich selbst.

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Räume, die einer klassischeren Präsentation folgen, sind in Schwarz gehalten. Hierfür wurden die historischen, so edel wie modern wirkenden Vitrinen Franz Ferdinands restauriert. Aber auch hier sucht man durchwegs ungewöhnliche Zugänge. So wird die "Entdeckung Japans" durch die Europäer über die Teilnahme des Landes an der Wiener Weltausstellung 1873 erklärt, und seine Einflüsse auf den Jugendstil werden herausgestrichen. Ein Raum zur Südsee gewährt einen kolonialkritischen Einblick in die Sammlung des englischen Entdeckers James Cook, an dessen Namen auch das Museumsbistro Cook erinnert. Die Objekte wurden 1806 eher zufällig von Kaiser Franz I. in London ersteigert, was das British Museum heute ein wenig schmerzt.

Neuer Direktor

Ungemein viele Möglichkeiten bieten sich im neuen Weltmuseum auch für Veranstaltungen und Sonderausstellungen. In zusätzlichen Kojen ist zudem viel Platz für kurzfristige Projekte und Kunst, zur Eröffnung gibt es unter anderem Fotografien von Lisl Ponger. Gut 3.000 Objekte können dauerhaft gezeigt werden, was trotzdem nur etwa einem Prozent der Sammlung entspricht. Gekostet hat der Umbau 21,8 Millionen Euro.

Direktor Steven Engelsman wird das Haus wie geplant mit Jahresende verlassen. Als Nachfolger wurde Engelsmans Stellvertreter Christian Schicklgruber mit einem Dreijahresvertrag ausgestattet. Der frühere Dokumentarfilmer ist seit 1995 als Kurator am Museum und hat den Himalaja-Saal "Ein Dorf in den Bergen" gestaltet. "Wir wollen die Grenze zwischen 'dem Eigenen' und 'dem Fremden' durchgängig machen", sagt er. "Respekt und Verständnis füreinander schaffen – das ist die Verpflichtung heutiger Völkerkundemuseen, gerade in politisch aufgeheizten Zeiten." (Stefan Weiss, 23.10.2017)