Oskar Deutsch, Präsident der israelitischen Kultusgemeinde, will keine "Deutschnationalen", also keine FPÖ in der Regierung.

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Wien – Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, wandte sich am Sonntag in einem offenen Brief an die bisherigen Regierungsparteien und appelliert darin "an die Verantwortung von ÖVP und SPÖ". Denn, so heißt es in dem Brief: "Deutschnationale haben in der Regierung nichts verloren!"

Die Wählerinnen und Wähler hätten ÖVP und SPÖ "zu den stärksten Parteien gemacht" und ihnen gemeinsam 58,33 Prozent der Stimmen gegeben: "Das sind Fakten, aus denen sich sehr wohl ein Wählerauftrag ableiten lassen kann", schreibt Deutsch.

Er verweist auch auf die 53,8 Prozent der Wählerschaft, die bei der Bundespräsidentschaftswahl "allen verantwortungsvollen Politikern einen klaren Auftrag erteilt" und Alexander Van der Bellen zum Staatsoberhaupt gemacht hätten, "weil er ausgeschlossen hatte, mit der FPÖ eine europafeindliche Partei anzugeloben".

Seine Ablehnung der FPÖ begründet der IKG-Präsident damit, dass die Freiheitlichen "Andersdenkende und Andersaussehende zu Sündenböcken" machen würden, dass es fast täglich "rassistische Einzelfälle" gebe und Abgeordnete antisemitische Verschwörungstheorien verbreiten würden. Deutsch nennt weiters die "EU-Feindlichkeit" der FPÖ und die "deutschnationale Burschenschafterbasis mit ihrer 'Blut und Boden'-Ideologie", deren Vertreter zudem "die Befreiung Europas 1945 als Niederlage betrauern".

Von der jüdischen Gemeinde in Österreich werde es "keinen Persilschein" geben, denn, so schreibt der IKG-Präsident: "Symbolische Israel-Besuche können das alles nicht kaschieren." Das sei man "der Vernunft und den Opfern des Faschismus schuldig – Juden, Sozialisten, Bürgerlichen und vielen anderen."

Nationalistischer Wolf im blauen Schafspelz

Weiters heißt es in dem Brief: "Wenn sich der nationalistische Wolf einen blauen Schafspelz überzieht, ändert er sein Wesen nicht, nur sein Aussehen."

Wo die FPÖ früher "Ausländer raus!" auf ihren Plakaten stehen hatte, formuliere sie nun ihre Botschaften subtiler als "Österreicher zuerst!", schreibt Deutsch: "Wenn ÖVP und SPÖ nun glauben, den Wolf zähmen zu können, täuschen sich beide. Sowohl Schwarz-Blau als auch Rot-Blau wäre verantwortungslos. Die SPÖ würde ihre Glaubwürdigkeit als antifaschistisches Bollwerk verspielen, die ÖVP als Europapartei." Und beide würden die Wähler, die 2016 Van der Bellen gewählt hätten, um einen blauen Präsidenten zu verhindern, "verraten".

Es sei "sekundär", ob es eine große Koalition oder eine Minderheitsregierung gäbe, schreibt Deutsch: "Wichtig ist, sich der Verantwortung für Österreich, für Europa und für die Zukunft bewusst zu sein." (red, 22.10.2017)