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Protestierende Frauen in New York fordern Bezirksstaatsanwalt Cyrus Vance Jr. auf, strafrechtliche Ermittlungen gegen Harvey Weinstein aufzunehmen.

Foto: Reuters / Brendan McDermid

Drei verschiedene Themen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben: die Missbrauchs- und Vergewaltigungsaffäre rund um Harvey Weinstein, einen der bis dato erfolgreichsten Produzenten Hollywoods; das fast schon alltägliche Bashing der Wiener Vizebürgermeisterin und Grünen-Chefin Maria Vassilakou via Social Media, eine moderne Hexenverbrennung der besonders widerlichen Art; der tiefe Fall des Chefredakteurs der "Wiener Zeitung", dem sexuelle Belästigung vorgeworfen wird – was er selbst nicht bestreitet, nur relativiert.

Was alle drei Themen doch miteinander zu tun haben: Es geht um Frauen, die sich öffentlich exponieren, die einen Platz im "Rampenlicht" oder zumindest im öffentlichen Diskurs einfordern und einnehmen: Schauspielerinnen, eine grüne und "linke" Politikerin, eine Journalistin. Wer sich in die Öffentlichkeit begebe, müsse auch öffentliche Kritik aushalten, dürfe nicht empfindlich sein, bekommt man oft zu hören, wenn man jene an bestimmten Frauen für unangebracht hält: "If you can't stand the heat, get out of the kitchen." Schönes Bild, vor allem im Zusammenhang mit Frauen, und vor allem: schön falsch.

Männerwelt Film und TV

Denn dass Frauen große "Hitze" gut aushalten, oft besser als viele Männer, beweisen sie täglich als Schauspielerinnen, Politikerinnen, Journalistinnen. Kaum jemand geht blauäugig in diese Berufe – und falls doch, ist es damit rasch vorbei. Frauen, die ihren Platz in der Öffentlichkeit behaupten wollen, halten täglich viel aus. Das Filmemachen ist immer noch ein Männergeschäft –in Hollywood und überall anders, auch in Österreich.

Man sehe sich etwa den letztwöchigen "Datenpunkt" im STANDARD zum Thema Filmförderung an: Der Großteil der Mittel geht an Männer, an der Filmakademie unterrichtet gerade einmal eine Professorin. die meisten Geschichten werden aus männlicher Sicht erzählt und gedreht.

An den Rand gedrängt

Frauen werden in diesem Geschäft leicht an den Rand gedrängt, wenn sie ihre Jugend hinter sich haben, zumeist gerne ins Nichts gekippt. Wenn eine das einmal thematisiert, gilt sie als Störenfried, kompliziert, muss sich die übelsten Beschimpfungen anhören und im TV-Interview vom Moderator einseitig-diffamierend "verhören" lassen – und mag sie noch so berühmt sein. Maria Furtwängler, der bekannten und (bis dahin) überaus beliebten deutschen Schauspielerin, ist das jüngst passiert, als sie den Umgang mit Frauen im deutschen Fernsehen kritisierte.

Die mutmaßlichen Opfer von Harvey Weinstein haben ihr jahrelanges Schweigen damit begründet, dass sie "Furcht vor den Folgen" gehabt hätten. Das ist durchaus berechtigt: Wer als "troublemaker" gegen die männliche Hegemonie gilt, wird beim nächsten fälligen Engagement gern vergessen.

Solidarität macht stark

Wer aufsteht und sich wehrt, wird höchstwahrscheinlich beschimpft und öffentlich abgekanzelt – aber darf auch auf Solidarität hoffen, und die macht stark und ermutigt Frauen, die sich bisher nicht getrauten. Die #metoo-Kampagne von bekannten US-Schauspielerinnen stieß auf weltweites Echo, auch deutsche Schauspielerinnen berichten plötzlich von ihren einschlägigen Erfahrungen, auch unter Österreichs Künstlerinnen regt sich zaghaft der Bekenntniswille.

Die Echowellen der Weinstein-Affäre erreichten auch die Politik: SPD-Politikerinnen beklagten jüngst, nicht nur unterschätzt, sondern auch begrapscht worden zu sein, und kündigten für die Zukunft schärferes juristisches Vorgehen dagegen an. Im EU-Parlament wehren sich Mitarbeiterinnen gegen männliche Übergriffe – und die schwedische EU-Kommissarin Margot Wallström berichtete von einer Betatschung durch ihren Sitznachbarn während eines EU-Gipfels. Daran kann man zumindest sehen: So hoch kann eine Frau auf der Karriereleiter gar nicht hinaufsteigen, dass nicht ein Mann hinterherkommen könnte, der ihr zwischen die Beine greifen will.

Blick nach innen

Österreichs Journalistinnen sollten sich nicht nur über den aktuellen Fall in der "Wiener Zeitung" aufregen (der juristisch noch zu klären ist) und sich über die männliche Solidaritätswelle für den mutmaßlich Beschuldigten empören. Sie sollten sich fragen, was in ihren eigenen Redaktionen los ist – und das auch gegebenenfalls öffentlich thematisieren. Seien wir ehrlich: Jede berufstätige Frau kann über diesbezügliche eigene Erlebnisse grenzwertiger Natur oder darüber hinaus berichten. Oder sie kennt zumindest jemandem, dem "es" passiert ist. Sei es in Form unangemessener "Komplimente", dummer, abqualifizierender Sprüche oder gar Handgreiflichkeiten.

Österreichs Politikerinnen könnten sich gleich anschließen – allen voran jene der Grünen, die gerade durchs mediale Dorf getrieben werden: "Parteifreunde", Politologen, Meinungsforscher, Journalisten – es gibt selten Untergrenzen bei der Beschreibung des grünen Versagens. Es wird als "weibliches" Versagen codiert, man freut sich ganz offensichtlich diebisch, dass die "linke, feministische, politische Korrektheit" hier gegen den "vertriebenen" Mann Peter Pilz verloren hat.

Häme und Geifer

Dass hier Frauen an der (Doppel-)Spitze standen, hatte vor allem damit zu tun, dass sich sonst keiner die Finger in einem von vornherein schwierigen Wahlkampf verbrennen wollte. Diese Tatsache wird geflissentlich ignoriert. Nun meldet sich wieder eine Frau, freiwillig, um beim grünen Aufräumen mitzuhelfen: Maria Vassilakou. Die Häme, die ihr entgegenschlägt, ist beispiellos und geifernd.

Frauenfeindlich ist dabei nicht, dass ihr die Eignung dazu abgesprochen wird, weil sie sich durch einige politische Entscheidungen unbeliebt gemacht hat. Frauenfeindlich ist, mit welchen Vokabeln das passiert – auch von manchen Frauen, die in Postings und Facebook-Einträgen völlig entgrenzt ihren Hass gegen diese Politikerin zelebrieren.

Als Servus-TV-Moderator Michael Fleischhacker dem Neos-Chef Matthias Strolz am Wahlabend allzu oft von oben herab auf die Schultern klopfte, sprang diesem just FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache spontan bei und forderte mehr Respekt im Umgang mit Politikern. Für Maria Vassilakou ist bis dato keiner und keine aufgestanden.

Es wäre eine Aufgabe auch für jene, die jetzt "Veränderung" für das ganze Land versprechen. (24.10.2017, Petra Stuiber)