Wien – Freitagabend sprach Reinhard Göweil (57) in einer ersten Reaktion auf STANDARD-Anfrage von "Intrige" und einem privaten Vorfall. Samstag räumte Reinhard Göweil einen "schweren Fehler" ein – und blieb dabei: privat.

Das wird eine der Fragen sein für den von Göweil angekündigten Prozess gegen die Wiener Zeitung und ihre Eigentümervertreter. Das sind bei der staatseigenen Tageszeitung das Bundeskanzleramt und die von ihm entsandten Aufsichtsräte. Ein Prozess gegen Göweils Entlassung.

Hausverbot

Die Wiener Zeitung, unterstützt von ihren Eigentümervertretern, hat Chefredakteur Göweil am Freitag fristlos entlassen, ihm ein Hausverbot erteilt und ihm den Zugang etwa auch zu seinem dienstlichen Mailaccount gesperrt.

Der Anlass, der STANDARD berichtete darüber in seiner Samstagausgabe: Göweil wird sexuelle Belästigung einer Mitarbeiterin vorgeworfen. Die Journalistin wandte sich mit einer Nachricht Göweils, offenbar in Zusammenhang mit einem Jobangebot, an die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Deren Einschätzung des dokumentierten Vorgangs: ein Fall von Belästigung. Göweil wurde mit den Vorwürfen konfrontiert, am Freitag wurde der Chefredakteur abberufen und entlassen.

Nach einer dürren Aussendung der Wiener Zeitung über Göweils Abberufung "wegen eines anlassbedingten Vertrauensverlustes mit sofortiger Wirkung" tauchten Spekulationen auf: Die abzusehende schwarz-blaue Regierung werfe ihre Schatten voraus. Dann müsste allerdings der noch zuständige Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) für ein schwarz-blaues Kabinett vorarbeiten – der ist noch bis zur Bildung einer neuen Regierung zuständig.

Der Reflex ist nicht ungewöhnlich: Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) setzte den liberalkonservativen Publizisten Andreas Unterberger 2005 als Chefredakteur der Wiener Zeitung durch. Unter Kanzler Werner Faymann (SPÖ) wurde Unterberger 2009 dienstfrei gestellt und durch Göweil ersetzt. Auch Geschäftsführer der Wiener Zeitung wechselten nach Nähe zur Kanzlerpartei.

Auch Göweil schien einen Wendehintergrund anzudeuten. Auf die Erklärung der Wiener Zeitung – "Die Entlassung erfolgte aus zwingenden arbeitsrechtlichen Gründen. Es gab dafür keinen politischen Anlass" – twitterte er: "Das bestreite ich ganz entschieden. Jeder möge sich einen Reim darauf machen."

"Dienstrechtlich relevant"

Samstag räumte Göweil gegenüber der Presse einen "schweren privaten Fehler" ein: "Ich habe eine Trottel-Facebook-Nachricht geschickt und mich danach entschuldigt." Der "kurze, blöde Chat ist im Jänner passiert, warum das jetzt aufpoppt, ist mir ein Rätsel". Die Kollegin sei zu diesem Zeitpunkt nicht seine Mitarbeiterin gewesen, zitiert Die Presse Göweil.

Mehrere Quellen widersprechen in diesem Punkt: Die Betroffene habe in der Zeit für die Wiener Zeitung gearbeitet. Hanna Herbst (Vice) verweist auf Honorarnoten und Artikel der Journalistin. Sie zitiert auch Wiener Zeitung-Manager Wolfgang Riedler: Nach "rechtlich sehr gewissenhafter Prüfung" sehe der Verlag ein "klar dienstrechtlich relevantes Vergehen". (fid, 22.10.2017)