Wohnen in der Londoner City ist ebenso unerschwinglich wie in den Vorstädten. Keine Stadt in Europa ist so teuer.

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Mailand/Brüssel/Wien – Das Tauziehen um die Ansiedlung der EU-Arzneimittelagentur EMA gewinnt an politischer Brisanz. Während Barcelonas Chancen aufgrund des Katalonien-Konflikts schwinden, erhöht die Regierung in Rom den Druck auf Brüssel, um die EMA nach Mailand zu bekommen. Premier Paolo Gentiloni hat eine intensive diplomatische Kampagne gestartet. Die osteuropäischen Länder wiederum unterstützen Bratislava, das allerdings nicht alle erforderlichen Kriterien erfüllt. Sie plädieren dafür, dass eines der sogenannten Visegrád-Länder den Zuschlag bekommt, von denen kein einziges als Sitz einer EU-Agentur fungiert.

Mittendrin ist Österreich, dessen Chancen, die Arzneimittelbehörde nach Wien zu bekommen, von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zwar für"intakt" gehalten werden, aber eben für "nicht überbordend". Das könnte sich rasch ändern. Denn in Brüssel sieht man einen Transfer von London nach Wien offenbar auch als Lockmittel. Brüssel arbeite für die Vergabe der EMA an Wien, um die Europaskepsis in Österreich zu reduzieren und eine Annäherung an die Visegrád-Länder zu vermeiden, schrieb die italienische Tageszeitung "La Stampa" am Wochenende.

EU-freundliches Kabinett

Die Aussicht auf eine Verlegung der EMA nach Wien solle Wahlsieger Sebastian Kurz (ÖVP) bewegen, ein europafreundliches Kabinett aufzubauen. "In Brüssel sind die Bedenken in Hinblick auf eine mögliche Allianz Kurz' mit der extremen Rechten groß, die Wien in Richtung Visegrád-Länder treiben könnte. Daher wird hinter den Kulissen gearbeitet, um Österreichs Annäherung an die osteuropäischen Länder zu verhindern", analysierte die Zeitung.

Den Angestellten der EMA und ihren Bankkonten soll's ebenso recht sein wie den Bankern der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA), die mit dem Brexit ebenfalls zur Abwanderung aus London freigegeben wurde. Denn so teuer wie in London lebt es sich in keiner der 19 Städte, die sich als Sitz der EMA beworben haben. Sie werden vielleicht London vermissen, aber nicht die dortigen Mieten. Ihre Ausgaben fürs Wohnen würden um bis zu 60 Prozent sinken, wenn EMA und EBA nach Frankfurt, Paris oder Dublin übersiedelten.

Die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs ist jener Ort in Westeuropa, den sich die wenigsten Leute leisten können. Die durchschnittlichen Kosten für Monatsmiete oder Hypothekenrate wurden aufgrund der Konzentration von Spitzenjobs im Finanzbereich und der reichen Immobilieninvestoren in luftige Höhen getrieben, sie machen laut Bloomberg Global City Housing Affordability Index 135 Prozent des Nettoeinkommens aus.

Selbst Paris ist billiger

Zum Vergleich: Im auch nicht für niedrige Mieten bekannten Paris belaufen sie sich auf 84 Prozent, Dublin oder Amsterdam halten bei 70 Prozent, während Frankfurt, Zürich und Brüssel mit 50 bis 55 Prozent geradezu billig erscheinen. Der Bloomberg-Index kalkuliert die Leistbarkeit anhand der Miete für eine Drei-Zimmer-Wohnung beziehungsweise der Kreditraten für eine Hundert-Quadratmeter-Wohnung oder ein Haus im Stadtzentrum oder in der Vorstadt.

Für potenzielle Wohnungsbesitzer sind die Preise in London längst außer Reichweite. Muss ein potenzieller Erwerber die Hälfte seines Nettoeinkommens für Wohnen aufwenden, bräuchte er in Central London dafür pro Monat einen Nettoverdienst von mindestens 11.764 Dollar – vorausgesetzt, er bekäme für 30 Jahre einen Fixzins oder 20 Prozent Abschlag. In Paris würde für eine gleichwertige Wohnung eine Monatsgage von mindestens 6.050 Dollar reichen, in Frankfurt reichen 3.520 Dollar. Was Wohnungskosten betrifft, sticht Wien Mailand klar aus. (APA, Bloomberg, ung, 23.10.2017)