Der nigerianische Innenminister Abdulrahman B. Dambazau bei der vom International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) organisierten Wiener Migrationskonferenz.

Foto: ICMPD

"Wir haben unsere Herausforderungen, die EU hat ihre." Der nigerianische Innenminister Abdulrahman B. Dambazau zeigt im Gespräch mit dem STANDARD Verständnis dafür, dass die Länder Europas Maßnahmen gegen Migration aus seinem Land treffen, betont aber, dass aus Nigeria auch zahlreiche gut ausbildete Menschen auswandern. Eine Zusammenarbeit mit der EU sei gut und notwendig, Dambazau weist aber auch darauf hin, dass Migration im Prinzip eine "normale Sache" sei.

Bekämpfen müsste man allerdings die kriminellen Strukturen, die die Migration zum illegalen Geschäft gemacht hätten. Gegen Menschenschmuggel, Schlepperei und Zwangsprostitution in den Zielländern müssten sowohl seine Regierung als auch die Regierungen in Europa vorgehen, wo die Nachfrage nach Prostituierten das Geschäft beflügle. Aus Afrika, vor allem aber aus dem bevölkerungsreichen Nigeria werden jährlich tausende Frauen mithilfe von Menschenhändlern nach Europa gebracht.

Keine Nation, keine Organisation könne die komplexe Situation allein in den Griff bekommen. Partnerschaftsabkommen seien deshalb mehr als notwendig, "beiderseitiger Gewinn" möglich – auch wenn Europa beispielsweise in puncto Technologie oder Grenzschutz fortschrittlicher sei. Eine Neugestaltung der Immigrationsregelungen Nigerias soll auch gegen Menschenschmuggel greifen. So werden mit einem neuen Regelpaket Strafen für illegale Migration deutlich erhöht. Grenzen sollen besser vor bewaffneten Gruppen geschützt, Menschen konsequenter registriert werden und Papiere erhalten.

Klimawandel als Ursache

Die vielzitierten Fluchtursachen in Nigeria seien allerdings mannigfaltiger, als es in den Diskussionen oft erscheine. Die angestrebten Abkommen mit der Europäischen Union würden oft vor allem ein Thema aussparen, das zentral für den Alltag der Menschen in Nigeria sei: den Klimawandel. "Die EU muss auch den Klimawandel thematisieren", fordert Dambazau im Gespräch mit dem STANDARD am Rande der vom International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) organisierten Wiener Migrationskonferenz. "Afrika ist ein Opfer des Klimawandels, nicht der Verursacher." Der Klimawandel würde nicht nur extreme Armut und Hunger nach sich ziehen, sondern in Folge auch Kämpfe um Ressourcen und Land. "Es ist sehr, sehr wichtig, dass die Leute das verstehen", appelliert Dambazau. Die EU müsse ihre Aufmerksamkeit endlich auf diese Tatsache fokussieren und entsprechend handeln.

Beispielsweise würde die Fläche des für die Region lebenswichtigen Tschadsees Jahr für Jahr zurückgehen. Der Tschadsee versorgt rund 40 Millionen Menschen mit Wasser und Nahrung, obwohl seine Oberfläche von 25.000 Quadratkilometern in den 1960er-Jahren auf 4.500 Quadratkilometer geschrumpft ist. Die Wüstenlandschaft in der Sahelzone dehne sich stetig aus, an vielen Orten sind mittlerweile weder Feldanbau noch Viehzucht möglich. Oft ist es die einzige Perspektive der jungen Menschen, sich den Kämpfern der in Nigeria operierenden Terrorgruppe Boko Haram anzuschließen, die ihre Leute bezahlt. (Manuela Honsig-Erlenburg, 24.10.2017)