Bangkok/Wien – "2018 gibt es Wahlen! Verstanden?" Thailands Premier Prayuth Chan-o-cha war sich diesmal sicher. Zuvor hatte die Regierung des ehemaligen Armeechefs, die 2014 durch einen Putsch an die Macht gekommen war, schon Urnengänge für 2016 und 2017 versprochen – beide Male, ohne dass sie zustande kamen.

Als er diesmal, Ende September, vor die Presse trat, war er freilich bemüht, seine Entschlossenheit zum Urnengang zu demonstrieren. Als Aufforderung an die zerstrittenen Parteien des Landes, einen inhaltlichen Wahlkampf vorzubereiten, wollte Prayuth den Plan freilich nicht verstanden wissen. "Politische Parteien und Politiker sollten ruhig bleiben", sagte er.

Thailands Premier Prayuth Chan-o-cha vor der Baustelle des Krematoriums für den verstorbenen König Bhumibol. Seit dem Ableben des Monarchen steht das politische Leben in Thailand still.
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Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es diese Aufforderung unbedingt gebraucht hätte. Seit vor rund einem Jahr der hochverehrte König Bhumibol Adulyadej starb, befindet sich das ganze Land in einem verlängerten Zustand der Staatstrauer: Menschen tragen vorwiegend gedeckte Farben, Freudenkundgebungen und angeregte Debatten sind in der Öffentlichkeit unerwünscht.

Ungekrönter König

Das wird auch nach seiner feierlichen Feuerbestattung so bleiben, die für Donnerstag geplant ist. Und wohl darüber hinaus: Denn nach der Trauerfeier steht noch die Krönung von König Maha Vajiralongkorn an. Er führt die königlichen Geschäfte zwar seit dem Tod des Vaters, eine Zeremonie hat es wegen der anhaltend-offiziellen Trauer aber noch nicht gegeben.

Thailands Premier Prayuth (hinten links, Mitte) und hohe Regierungsmitglieder warfen sich Anfang Dezember vor dem neuen König Maha Vajiralongkorn zu Boden. Gekrönt wird der Monarch aber erst nach der Einäscherung seines verstorbenen Vaters Bhumibol.
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Dass das Land danach wieder zu einem Wahlkampf nach westlichem Verständnis findet, ist unwahrscheinlich: Seit das Militär unter Prayuths Führung 2014 die Herrschaft übernommen hat, hat es den Staat gründlich umgebaut. Eine neue Verfassung, Thailands zwanzigste seit dem Jahr 1932, soll Parteienpolarisierung und Großproteste künftig vermeiden, die aus Sicht des Militärs 2014 den Putsch nötig gemacht hatten.

Nur wenig ist erlaubt

Prayuth gab sich dabei nicht zimperlich: Die Verfassung, die Thailands Bevölkerung im Vorjahr via Referendum annahm, zementiert die Macht des Militärs und der Palastbürokratie. Während der Großteil des Parlaments auch künftig frei gewählt werden soll, wird der Senat in Hinkunft von einem zehnköpfigen Gremium besetzt. Er hat die Möglichkeit, Politiker abzusetzen und ihnen für fünf Jahre die Betätigung zu verbieten.

Zum Beispiel dann, wenn sich eine neue Regierung sträubt, den vom Militär beschlossenen "20-Jahre-Plan für die Entwicklung des Landes" umzusetzen. Ohnedies ist unsicher, ob die stärkste Partei überhaupt den Premier stellen würde: Denn für diesen Posten kann, wie explizit festgehalten ist, auch eine Person infrage kommen, "die außerhalb des politischen Systems steht".

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Schon seit Monaten tourt Premier Prayuth (im Anzug) durch das Land, nicht immer sind die Fotomotive geglückt. Die Tour gibt aber zu Spekulationen Anlass, der ehemalige Armeechef könnte auch nach Wahlen im kommenden Jahr weiterregieren wollen.
Foto: Reuters / Athit Perawongmetha

Dass es sich dabei um Prayuth selbst handeln könnte, ist mehr als eine theoretische Möglichkeit. Der Militärpremier arbeitet hinter den Kulissen fleißig daran, sein Image zu stärken. Anfang des Sommers hat er eine Tour begonnen, die ihn in alle Provinzen des Landes führen soll, wo er sich leutselig gibt und sich die tägliche Arbeit der einfachen Thais vorstellen lässt.

Nicht immer wirkt das stimmig: Fotos, die ihn Ende August im dunklen Anzug beim Pflügen zeigten, haben eher eine bizarre Qualität. Zugleich laufen Verhandlungen mit kleineren Parteien, die ihn nach der Wahl unterstützen sollen. Die beiden großen Parteien, deren auf der Straße ausgetragener Streit 2014 in den Putsch mündete, haben bisher nicht in diesen Plan eingewilligt.

Wenig Platz für die Opposition

Ihr Spielraum ist allerdings sehr klein: Die konservative Demokratische Partei ist auf den Segen der mächtigen Bürokratie angewiesen, der sie ebenso wie Prayuth entstammt. Und die frühere Regierungspartei Pheu Thai der Expremiers Thaksin und Yingluck Shinawatra ist massiv geschwächt, und zwar nicht erst, seitdem Führungsfigur Yingluck ihrem Bruder wegen eines Veruntreuungsprozesses gegen sie Ende August ins Exil gefolgt ist. Pheu Thai, deren Basis die ärmere Landbevölkerung ist, war schon zuvor stärker Opfer der Junta-Repression als ihre Konkurrenten.

Dass sich außerhalb des Systems eine Opposition formiert, ist ebenfalls nicht anzunehmen. Versammlungen von mehr als fünf Menschen sind seit dem Putsch verboten, der strenge Paragraf gegen Majestätsbeleidigung wird so ausgelegt, dass er auch bei Kritik an der Regierung schlagend werden kann.

Anhänger der Expremiers Thaksin (links) und Yingluck Shinawatra demonstrierten zuletzt nur noch in kleinen Gruppen. Die Opposition wird von der Junta an der kurzen Leine gehalten.
Foto: APA / AFP / Pornchai Kittiwingsakul

Mehr als hundertmal wurden seit dem Putsch unter Berufung darauf langjährige Haftstrafen ausgesprochen. Im Extremfall kann es dafür reichen, auf Facebook das Posting eines Regierungskritikers oder einen ausländischen Pressebericht zu liken, der von der Königsfamilie handelt. Für Schlagzeilen sorgte zuletzt aber auch der Fall eines 85-jährigen Geschichtsprofessors, der vor Gericht landete, weil er den offiziell geschilderten Hergang einer Schlacht aus dem Jahr 1592 in Zweifel zog.

Auf Du und Du mit Donald Trump

Daneben kann sich Prayuth, über den 59 Prozent der Thais laut Umfragen eine positive Meinung haben, auf Fortschritte berufen. Die Wirtschaft des Landes wächst zwar noch immer nicht so stark, wie es aus Sicht von Wirtschaftsanalysten ihrem Potenzial entspricht. Sie hat seit den Putschwirren aber deutlich zugelegt. Und auch die internationalen Beziehungen Thailands haben sich wieder verbessert.

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Prayuth zu Besuch im Weißen Haus. Seit die Regierung Barack Obamas nicht mehr im Amt ist, haben sich die Beziehungen zu Washington wieder verbessert.
Foto: AP / Evan Vucci

Hatte die US-Regierung Barack Obamas nach dem Putsch noch einen Großteil der Beziehungen auf Eis legen lassen, laufen die Gespräche seit dem Amtsantritt Donald Trumps wieder wesentlich besser. Er hat Prayuth erst kürzlich ins Weiße Haus eingeladen, wo er die Fortschritte bei der Rückkehr zur Demokratie lobte. Allerdings geht es bei weitem nicht nur darum: Washington sorgt sich auch strategisch um seinen engen Partner, seitdem Prayuth sich während der US-Eiszeit China zugewandt hat. (Manuel Escher, 25.10.2017)