2017: Die RU Donau wird nach einem 20:13-Sieg im Finale gegen Innsbruck erneut Österreichischer Meister – zum 24. Mal in Folge.

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Die Gebrüder Stiig (links) und Thomas Gabriel leben Rugby – und reden auch gerne darüber.

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Im Oktober lieferten sich die alten Rivalen Donau und Celtic ein intensives 487. Derby.

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Beim engen 24:21 war punktueller emotionaler Überschuss in der Schlussphase nicht zu vermeiden.

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Donaus wertvollster Wechsel auf die Zukunft: der Nachwuchs.

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Die frühen Jahre I: Match im Wiener Heeresspital, Frühjahr 1992.

Die frühen Jahre II: Donaus Sturm marschiert.

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Wien. Wir schreiben das Jahr 1987. Ein Grüppchen Enthusiasten entschließt sich, fremdes Terrain zu erforschen und gründet den ersten österreichischen Rugbyklub. Die Besatzung des neuen RC Wien war schmal, als man das Abenteuer wagt. Sein Urgrund war Frustration. Denn es gab zu diesem Zeitpunkt bereits einen Verein, doch Vienna Celtic war der Heimathafen Gestrandeter von den britischen Inseln, die ihren Lieblingssport auch hierzulande nicht missen wollten.

Thomas Gabriel fasst die unbefriedigende Lage der Hiesigen für den STANDARD zusammen: "Wir haben das ganze Jahr trainiert, und am Wochenende kommen ein paar Freunde aus London daher und stehen natürlich gleich in der Mannschaft. Da waren wir ein bisschen sauer." Also: Sezession. Selber machen. Gabriel, dem man den einstigen Stürmer der zweiten Reihe auch heute noch ansieht, war ein Mann dieser ersten Stunde. Seinen jüngeren Bruder Stiig köderte er mit einem Mitbringsel von einer Tournee durch Frankreich: der Rugby-Ball fungierte passenderweise als Ostergeschenk.

Gereist wurde seinerzeit ohnehin häufig. Mangels inländischer Gegnerschaft trat Celtic gegen Teams aus der Tschechoslowakei, Ungarn, Italien oder Deutschland an. "Damals", erinnert Gabriel, "gab es in Europa noch kaum ausgebaute Ligastrukturen. Viel passierte auf Basis von Freundschaftsspielen, das galt selbst für England. Es war eine sehr lustige Zeit."

Sozialisiert wurde man im legendären Klubkeller von Celtic im 18. Wiener Gemeindebezirk. Da Pubs damals in der Stadt noch Mangelware waren, fungierte er als Sammelbecken der Expats. Unter der Kundschaft dürfte an Typen kein Mangel geherrscht haben, sogar Gerüchte um mögliche Spionageaktivitäten – der Kalte Krieg war schließlich noch nicht an sein Ende gekommen – rankten sich um das Etablissement, in dem schließlich auch Gabriel der Ältere zu verkehren begann.

Geburt aus dem Geist des Pragmatismus

Die Rugby Union Donau wiederum erblickte 1989 aus pragmatischen Überlegungen das Licht der Welt. Die Gründung eines Verbandes stand im Raum, doch ein solcher hätte sich angesichts von nur zwei Mitgliedern gar ärmlich ausgemacht. Kurzerhand wurde Donau als Jugendabteilung des RC Wien, jedoch als eigenständiger Verein etabliert. Es war eine Zeit intensiver Bildung. "Ich habe tagelang Videokassetten vor und zurück gespult", reminisziert Stiig Gabriel. Ein bevorzugtes Studienobjekt war ein Best-of der ersten Rugby-Weltmeisterschaft von 1987. Die Quellenlage war in der Ära digitaler Prähistorie eben etwas dünn.

Spiele gegen Tschechen, Italiener oder gar Engländer erwiesen sich folglich als Offenbarung. "Man hat versucht, sich so viel wie möglich abzuschauen", sagt Gabriel. Das sollte nicht ohne Effekt bleiben. Der heutige Donau-Sportdirektor mauserte sich zu einer tragenden Säule des österreichischen Nationalteams. 1993 trat der englische Coach Alan Roach als Entwicklungshelfer auf den Plan. Der Weltenbummler trat den den Spielern mit einer klaren Ansage gegenüber: Drei Aktivposten habe er in Österreich ausgemacht; Erstens: Leidenschaft, zweitens: Leidenschaft, drittens: Leidenschaft. Abgesehen davon jedoch: von Rugby keine Ahnung.

Motor des Fortschritts

In den Folgejahren kehrte Donau mehrfach wieder in den Schoß des RC Wien zurück, wurde jedoch ebenso oft wiederbelebt. Bis 2002 ging das so, als die wechselseitigen Aktiva ein endgültiges Zusammengehen nahe legten: der RC verfügte über die besseren Spieler, Donau jedoch punktete mit fortschrittlicheren Strukturen.

Vom Zeitpunkt des Auszuges bei Celtic an war klar, dass der Hunger groß war: man wollte lernen, weiterkommen, Rugby in Österreich voranbringen. Die Bereitschaft, dafür auch über den Tellerrand des eigenen Klubs hinaus zu schauen, sollte sich in der Vereinshistorie immer wieder zeigen. Gerade auch, wenn es um das Aufpäppeln zukünftiger Konkurrenten ging. Recht flott überflügelte man die Altvorderen und dominierte den 1993 startenden Ligabetrieb. Donau gewann bis heute 24 Meisterschaften – oder auch: alle bis auf eine.

Der Verein wuchs stetig, mittlerweile zählt die Rugby Union Donau Wien 270 Mitglieder. Ein fundamentaler Unterschied zur Anfangszeit, als die Spieler auch alle denkbaren Organisationsleistungen selbst erbringen mussten – Beschaffung von Referees inklusive – ist die Herausdifferenzierung eines dafür zuständigen Apparates. Das Vereinsleben erblühte, als 2014 ein jahrzehntelanges Nomadentum endlich sein Ende fand und Donau im Trendsportzentrum Prater eine permanente Heimstätte fand. Das Glück vervollständigen würden die Installierung einer Anzeigetafel, sowie die Errichtung einer Tribüne. Beide Projekte sind für die mittel- bis längerfristige Zukunft angedacht.

Skifahrer unterwegs

Besonders der Nachwuchs gibt Anlass zu Freude und Optimismus. 22 Trainer betreuen in acht Nachwuchsmannschaften 140 Jugendliche. Es ist dies die erste Generation, die bereits in jungen Jahren in einem geordneten Umfeld eine qualitativ hochwertige Ausbildung erfährt. Als die U14 in Dublin bei Matches gegen irische Traditionsvereine mehr als gute Figur machte, schlug auf Seiten der Gastgeber das den vermeintlichen Exoten ursprünglich entgegengebrachte freundschaftliche Mitleid rasch in Verblüffung um. Der Ausruf eines Coaches ist Thomas Gabriel, zuständig für Jugend, Strategie und Entwicklung, noch in lebhafter Erinnerung: "You nearly lost to the fucking skiers!" Zukünftig will Gabriel, der die gute Zusammenarbeit mit Celtic und Stade, dem dritten Wiener Klub, in diesem Bereich hervorhebt, noch stärker als bisher mit Schulen kooperieren. Er orientiert sich diesbezüglich am neuseeländischen Modell, das er von einem einjährigen Aufenthalt im Land des Weltmeisters aus eigener Anschauung kennt.

In der laufenden Saison strebt Donau mit der ersten Mannschaft erneut den Titel an, obwohl eine ungewöhnlich große personelle Fluktuation zu managen ist. Neben Abgängen gibt es aber auch einen höchst interessanten Zugang zu verzeichnen: Mit Jan Hasenlechner zaubert nun der Scrum-half der chilenischen Nationalmannschaft im Prater, in dessen Lebenslauf bereits Begegnungen mit dem WM-Vierten Argentinien verzeichnet stehen. Donau konnte dem 23-jährigen Klassemann mit österreichischem Opa Wien als Sprungbrett für eine Karriere in Europa schmackhaft machen.

Mit drei Siegen in den ersten drei Runden (gegen Laibach, Innsbruck und Celtic) gelang ein angemessener Start, besonders das Match gegen den alten Rivalen verdient Erwähnung: Gut 300 Zuschauer wurden beim 487. Derby Zeugen eines der vermutlich besten Rugbyspiele, das hierzulande jemals zu sehen war. Donau setzte sich am Ende knapp mit 24:21 durch. Was die Gabriels neben der robusten Konstitution ihres Klubs in seinem 30. Jahr besonders befriedigt, ist, dass das Spiel, das wahrlich ihre Passion ist, von immer mehr Interessierten wahrgenommen wird. Und zwar als normaler, wenn auch außergewöhnlicher Sport – nicht mehr als exotisches Kuriosum. (Michael Robausch, 6.11. 2017)