Christoph Chorherr (Mitte): "Wo man das Parkpickerl, ohne zu fragen, einführt, sind nachher alle glücklich." – Alexander Pawkowicz (rechts): "Wir sagen Ja zum Parkpickerl, aber im Idealfall kostenlos."

Foto: Robert Newald

Christoph Chorherr (Grüne) hofft auf ein gemeinsames Wirken von Bauträgern und Verkehrsplanung für intelligentere Mobilität, Alexander Pawkowicz (FPÖ) warnt vor einer Überforderung der Gemeinnützigen. Die beiden Wiener Gemeinderäte bestritten die "politische Diskussion" beim jüngsten Wohnsymposium von STANDARD und "Wohnen Plus". Eric Frey moderierte.

STANDARD: Herr Chorherr, ist das Thema des Wohnsymposiums "Motorisiert oder autofrei" nicht auch typisch für das Dilemma der Grünen, dass sie richtige Argumente haben mögen, diese aber an den Wünschen der Wiener vorbeigehen? Wenn man in einem Bezirk Parkraumbewirtschaftung einführen möchte, stimmen die Menschen zum Beispiel dagegen.

Chorherr: Wenn ich mir die Entwicklung des Autobestandes pro Kopf ansehe, so geht der seit Jahren zurück. Alles deutet darauf hin, dass er das weiter tun wird. Es geht auch nicht darum, zu sagen, der eine darf Auto fahren und der andere nicht, sondern es geht um Rahmenbedingungen. Durch das 365-Euro-Ticket hat sich die Anzahl der Jahreskarten mehr als verdoppelt, auch der Radverkehr wächst signifikant. Zur Parkraumbewirtschaftung: Wo man nicht fragt und sie einführt, sind nachher alle glücklich. Ich halte die repräsentative der direkten Demokratie in Fragen großer Veränderungen für überlegen, nicht nur in Verkehrsangelegenheiten.

STANDARD: Herr Pawkowicz, wann immer die Themen Parkraumbewirtschaftung und Radwege aufkommen, ist die FPÖ dagegen. Es scheint, Ihre Partei ist die Fürsprecherin der Autofahrer, egal ob man im Stau steht oder keinen Parkplatz findet. Ist das nicht ziemlich retro?

Pawkowicz: Erstens bin ich der Überzeugung, dass die direkte Demokratie in der Lage ist, auch bei Fragen wie der Parkraumbewirtschaftung richtige Entscheidungen zu treffen. Zweitens sind wir ausdrücklich nicht gegen die Parkraumbewirtschaftung. Wir haben dafür ein Modell nach Münchner Vorbild. In München hat man mittlerweile 67 relativ kleine Anrainerbereiche. Wo es massive Überparkungen gibt, dürfen dann echte Anrainer stehen.

STANDARD: Sie sind im Prinzip also für ein noch restriktiveres System des Parkens?

Pawkowicz: Es geht nicht darum, es restriktiver zu machen. Wenn Sie es verkürzt haben wollen, sagen wir: Parkpickerl ja, aber im Idealfall kostenlos. Beim Thema Wohnen stoße ich mich noch an einer Sache: Man darf die Verkehrsplanung nicht mit dem sozialen Wohnbau verquicken. Dieser hat einen anderen Auftrag: Wohnraum für Menschen, die ihn günstig brauchen. Die Pflichtstellplätze, die dann reihenweise leerstehen, halte ich zum Beispiel für falsch.

STANDARD: Die Stellplatzverpflichtung ist auch Ihnen ein Dorn im Auge, Herr Chorherr.

Chorherr: Ja, wir versuchen sie in der neuen Bauordnung, die jetzt in Verhandlung ist, weiter zu öffnen. Da gibt es aber Unterschiede zwischen der Sozialdemokratie und uns. Einen großen Schritt der Liberalisierung oder gar eine Abschaffung wird es nicht geben. Wir haben uns mit sehr vielen Bauträgern geeinigt, dass wir das Stellplatzregulativ so anwenden: Es müssen jetzt weniger Stellplätze gebaut werden, und nach fünf bis sieben Jahren schaut man nach und rüstet zur Not nach. In allen Neubaugebieten haben wir 0,5 bis 0,8 Stellplätze (pro 100 m², Anm.), also bereits eine Halbierung. Zum Parkpickerl: Dieses kostet in Wien keine 30 Cent am Tag. Das kann und soll in die Höhe gehen. Wir haben in der Stadtregierung den Preis für das Parken erhöht und das Jahresticket der Wiener Linien auf 365 Euro abgesenkt. Das hatte einen enormen Effekt.

STANDARD: Herr Pawkowicz, Sie sagen, Sie sind für einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Das Geld dafür könnte auch über eine Anhebung des Preises für privates Parken kommen.

Pawkowicz: Das Geld hat kein Mascherl. Gebührenerhöhungen fließen ohnehin nicht automatisch in andere Bereiche. Wir haben auch im kommenden Jahr rund 370 Millionen Euro zusätzliche Verschuldung. Ich habe im Gemeinderat erlebt, dass in meinem Bereich knapp 50 Millionen Euro aller möglichen Förderungen an mehr oder weniger dubiose Vereine bis ins Ausland vergeben werden. Da gibt es ganz andere Möglichkeiten der Einsparungen, die der Wiener Bevölkerung nicht wehtäten.

Chorherr: Sie kennen aber den Zuschussbedarf für den öffentlichen Verkehr? Da kommen Sie mit 50 Millionen Euro nicht weit.

Pawkowicz: Ich will nur sagen, dass nicht immer jemand eine Strafe dafür zahlen muss, damit es einem anderen gutgeht.

Chorherr: Für die Nutzung des öffentlichen Raums zahlt man beim Parken keine Strafe, sondern eine Gebühr. Man darf nicht vergessen, es geht um Platz. Seit dem Jahr 2000 ist Wien um 300.000 Menschen gewachsen. Bauträgern kommt eine zentrale Bedeutung zu, die sie noch nicht ganz ausschöpfen. Es gibt einen Moment im Leben, wo sich jeder sein Verkehrsverhalten überlegt: beim Umziehen. Ich wünsche mir zum Beispiel ein Angebot an die Bauträger: Wir reduzieren die Stellplatzverpflichtung, und ihr erspart euch Geld, dafür stehen für die ersten fünf Jahre, sagen wir, im Keller zehn Teslas zum Ausleihen um 20 Euro am Tag. Die Mehrheit der Autobesitzer in Wien fährt nicht täglich, sondern will einen guten Zugriff haben. Ich schwöre, es würde massenhaft umgestiegen werden.

Pawkowicz: Das Beispiel mit den Teslas finde ich im Kern eine gute Idee. Ich finde generell Förderungen und Anreize gut. Aber ein Punkt ist mir wichtig: Wir können eine Schiene der Mobilitäts- und Umweltförderung machen für öffentlichen Verkehr und E-Autos. Der soziale Wohnbau hat aber eine andere Aufgabe: die soziale Steuerung. Es hängt mir wirklich zum Hals raus, dass wir ununterbrochen weitere Maßnahmen einführen, die den sozialen Wohnbau verteuern, und damit irgendwelche Utopien ausleben. Es gehen derzeit auch 15 Prozent der Baukosten für ökologische Maßnahmen drauf.

Chorherr: Die Leihautos im Keller wären deshalb ein Clou, weil sie den Bauträger bei den Kosten entlasten sollen. "Wenn du als Wohnbauträger so ein Mobilitätskonzept umsetzt, brauchst du viel weniger Stellplätze bauen." – das ist der Deal.

STANDARD: Abschließende Frage, Herr Chorherr: Können die Grünen aus der Nationalratswahl schon Schlüsse ziehen, wie man den Menschen Politik vermitteln kann, ohne dass sie als Belehrung oder Schikane empfunden wird, auch bei Ihren Themen Verkehr und Raumplanung?

Chorherr: Das Verkehrsthema ist kein schlechtes Beispiel. Es geht uns darum, öffentlichen Raum gerecht zu verteilen und öffentlichen Verkehr auszubauen. Das zu erklären ist uns nicht ausreichend gelungen. Ein persönliches Beispiel: Mein Sohn ist sechs Jahre alt, und ich wohne im 6. Bezirk. Auf der Mariahilfer Straße können wir radeln, aber wenn wir auf der Gumpendorfer Straße einkaufen wollen, muss ich ihm sagen: Du kannst nicht mitfahren, es ist zu gefährlich. Es geht um die Umverteilung von Raum. Dieses Wahlergebnis wird mich bis 2020 keinen Millimeter davon abbringen, unsere Politik zu machen. Wir werden sie vielleicht besser begründen müssen. (25.10.2017)