Pilze gehören zum Köstlichsten, was die Natur erschaffen hat, und im Gegensatz zum Großteil der Konkurrenz (Foie gras, Seeigel, Hanger Steak von einer alten Kuh ...) stehen sie gratis und für jedermann frei verfügbar bei uns im Wald. Manche sind ganz für sich genossen so gut, dass ihnen nichts hinzuzufügen ist (fast wie rohe Meeresfrüchte), andere haben die Gabe, alles, mit dem sie in Berührung kommen, besser zu machen. Am schönsten ist vielleicht, dass die allerköstlichsten unter ihnen hartnäckig (fast) allen Domestizierungsversuchen widerstehen, sodass sie immer ein Hauch von Goldgräber-Romantik umweht.

Foto: Tobias Müller

Einige Mitglieder der Pilzfamilie haben es zu beachtlichem Ruhm und ebensolchen Preisen gebracht: Die Japaner zahlen Unsummen für Matsutake, die berühmten Pinienpilze; Huitlacoche eine Art Maisschimmelpilz, wird in Mexiko teuer gehandelt (und ist bei uns mit etwas Glück gratis auf Bio-Maiskolben zu finden), und in Europa werden tausende Euro für ein Kilo Weiße Trüffeln bezahlt. Aber selbst weniger exquisite Funghi wie der ordinäre Steinpilz oder die Totentrompete sind immer noch umwerfend gut.

Auch abgesehen von ihrem Geschmack sind sie faszinierende Geschöpfe: Weder Tier noch Pflanze, verbringen sie den allergrößten Teil ihrer Existenz unter der Erde, wo sie zu ungeahnter Größe heranwachsen können. Das größte jemals entdeckte Lebewesen war ein Pilz (mehr als zwei Kilometer Durchmesser), und in nur einem Kubikzentimeter Erde sollen sich bis zu 2.000 Meter Pilzmyzel finden.

Trotz dieses partiellen Ruhms ist die Pilzfamilie immer noch kulinarisch drastisch unterschätzt. Rund 1.000 essbare Arten sind weltweit bekannt, und auch die heimischen Wälder bieten deutlich mehr, als die Marktstände vermuten lassen: vom kleinen, langstieligen Knoblauchschwindling, der intensiv nach seinem Namensvetter duftet, über manche Täublinge, deren ganz spezielle, ausgeprägte Schärfe den Chilis autochthone Konkurrenz macht, bis hin zur Krausen Glucke, die nicht nur spektakulär aussieht.

Foto: Tobias Müller

Interessierte Köche entdecken diese Vielfalt mehr und mehr für sich. In den USA tut sich da Michael Ryan mit seinem Restaurant Elements in Princeton hervor, der sich intensiv mit diversen Pilzen beschäftigt. In Deutschland hat mich unlängst Felix Schneider vom Sosein bei Nürnberg mit seiner Pilzsuppe schwer beeindruckt, in der mehr als ein halbes Dutzend köstliche Schwämme schwammen, und er war es auch, der mich erstmals oben erwähnten scharfen Täubling kosten ließ. Und in Österreich widmet sich unter anderen der große Heinz Reitbauer vom Steirereck vermehrt den Pilzen.

Ein weniger prominenter, aber mindestens so enthusiastischer Pilzverehrer ist Lucas Steindorfer, einer der beiden Chefköche im Rien am Wiener Michaelerplatz. Vor ein paar Wochen war er so nett, mich mit in den Wald zu nehmen (und mir ganz gegen seine Ankündigung bei der Anreise nicht einmal die Augen zu verbinden). Gemeinsam mit seinem Mitkoch Simon Kotvojs haben wir uns dort die Stoffsäcke vollgestopft. Neben einigem Experimentellen haben wir vor allem Unmengen an Steinpilzen gefunden – die Saison war heuer ungewöhnlich gut.

Foto: Tobias Müller

Die ungewöhnlicheren Pilze verkostet der Herr Steindorfer derzeit noch rein privat. Am Abend nach unserem Waldausflug ist er zwecks eindeutiger Identifikation mit seiner Beute zu den Pilzprofessoren am Wiener Rennweg gefahren – die halten dort regelmäßig für alle Interessierten Hof. Im Rien servieren er und Kotvojs einstweilen trotzdem schon deutlich mehr als gebackene Steinpilze: etwa Herbsttrompeten-Tatar mit gebratenen Hexenröhrlingen. Sie waren so nett, das Rezept mit mir zu teilen.

Ein wenig Pilztheorie

Ich paraphrasiere hier kurz Harold McGee, der einiges zu Pilzen zu sagen hat. Speisepilze ernähren sich entweder von altem, abgestorbenem Pflanzenmaterial (Champignons, Shiitake ...) wie etwa totem Holz, oder sie leben symbiotisch mit bestimmten Bäumen (Steinpilz, Trüffel, Morchel ...) – deren Wurzeln versorgen sie mit Zuckern, der Pilz wiederum gibt Mineralien zurück. Weil diese Symbiose sehr schwer zu kopieren ist, können Pilze dieser Art kaum (kosteneffizient) gezüchtet werden.

Der Grund, dass uns Pilze so gut schmecken, ist wie so oft, dass sie ziemlich viel Glutamat und andere freie Aminosäuren enthalten, sie sind also natürliche Geschmacksverstärker und Umami-Bomben. Die meisten werden aromatisch noch intensiver, wenn sie getrocknet werden – sie verlieren dabei nicht nur Wasser und konzentrieren sich, es laufen auch diverse Bräunungs-(Maillard-)Reaktionen ab, die für mehr Geschmack sorgen. Klassisch sind die in dünne Scheiben geschnittenen Steinpilze oder im Ganzen getrockneten Herbsttrompeten, aber auch Hexenröhrlinge und Parasolstiele lassen sich wunderbar trocknen. Alle sorgen sie dafür, dass aus einer ordinären Suppe Großes wird.

Foto: Tobias Müller

Wer seine Pilze frisch essen mag, hebt sie am besten nur kurz auf und lagert sie kalt, besser werden sie nicht. Waschen ist, ganz gegen hartnäckige Mythen, kein Problem. Pilze bestehen ohnehin größtenteils aus Wasser, das wird auch nicht mehr, wenn sie kurz abgespült werden. Bloß einweichen sollten man sie nicht. Der Herr Steindorfer spült seine immer gründlich ab und legt sie dann, wenn Zeit ist, zum Trocknen auf.

Herbstrompeten-Tatar mit gebratenen Steinpilzen

2017 ist wie erwähnt ein Steinpilzjahr. Die besten Exemplare sind für mich die mittelgroßen, schon geöffneten, deren Hutunterseite aber noch eine schöne helle Farbe hat und sich genauso fest anfühlt wie der Rest. Wenn die Poren sich braun verfärben und leicht schwammig werden, schmecken sie zwar immer noch gut, die Konsistenz ist aber nicht mehr die beste. Der Herr Steindorfer schneidet in dem Fall diesen Teil vor dem Kochen unten weg und trocknet ihn.

Ich persönlich mag den Steinpilz am liebsten puristisch, entweder in viel Butter scharf angebraten, bis er schön braun, aber noch ordentlich bissfest ist, oder roh in dünne Scheiben gehobelt (etwa auf Beef Tatar) – da entwickelt er einen fast trüffelartigen Charakter. Weil es hier aber doch auch um Rezepte geht, folgt des Herrn Steindorfers etwas aufwendigere, kreativere Zubereitungsart, die den Röhrenpilz mit den unterschätzten Totentrompeten kombiniert. Aus den schwarzen Schwammerln wird ein Tatar, die Steinpilze (oder andere Röhrlinge) werden in Butter angebraten, das alles wird mit Croutons für den Biss und kleinen Perlzwiebeln für die Säure kombiniert. Die folgenden Angaben sind für vier Personen.

Foto: Tobias Müller

Zwei Scheiben gutes Roggenmischbrot in kleine Stücke reißen und in reichlich zerlassener Butter daraus Croutons frittieren. Salzen, abtropfen lassen und zur Seite stellen.

300 Gramm Herbsttrompeten gut waschen, in einer Salatschleuder trocken schleudern oder trocken tupfen, salzen und "in unanständig viel Butter" (Steindorfer) so lange braten, bis ihr Saft ausgetreten und fast vollständig verdampft ist.

Abseihen und die Bratbutter beziehungsweise den Saft mit 100 Gramm Frischkäse glattrühren. Mit Salz und Zitronensaft abschmecken und für später aufheben. Die Pilze fein hacken, wie für ein Tatar, und ebenfalls mit Salz und Zitrone abschmecken.

Foto: Tobias Müller

Pro Person einen mittelgroßen Steinpilz oder anderen Röhrenpilz vierteln (oder in mundgerechte Stücke schneiden) und in viel Butter anbraten.

Foto: Tobias Müller

Wenn er rundum schön braun ist, mit einem Schuss Wasser ablöschen, sodass eine sämige Sauce entsteht. Wein oder Suppe geht natürlich auch, aber der Herr Steindorfer mag's bei Pilzen möglichst simpel. Fein gehackten Petersil dazugeben, kurz durchrühren und von der Hitze nehmen.

Das Tatar mit dem Frischkäse und den Pilzen belegen, Croutons und, falls vorhanden, gehackten Kerbel darüberstreuen und mit sauer eingelegten Perlzwiebeln, am besten hausgemachten, garnieren.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, 29.10.2017)

Hinweis:
Niemals Schwammerln verkochen, bei denen man nicht zu 100 Prozent sicher ist, dass sie essbar sind. Im Zweifelsfall besser eine Schwammerlberatungsstelle aufsuchen.

Übersicht der Beratungsstellen

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