Die Wahl ist geschlagen, die Stimmen sind gezählt, die Mandate zugeteilt. Ab jetzt pendelt sich das politische Interesse vieler Wählerinnen und Wähler wieder auf ein Normalmaß ein. Dabei sind just die nächsten Wochen die folgenreichste Phase für das, was in Österreich in den kommenden Jahren an Politik gemacht werden wird. Folgenreicher, als es die meisten Wahlkämpfe sind.

Erste Verhandlungen zwischen Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) und ihren Teams für eine schwarz-blaue Regierung.
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Eine Richtungsentscheidung ist mit der Kurssetzung auf Schwarz-Blau schon geschehen. Aber selbst wenn diese Farbkombination recht fix erscheint, hat die zukünftige Regierung (logischerweise) noch kein Arbeitsprogramm, keine Ressortverteilung und keine Personen für Ministerämter. Hier ist noch vieles offen – und worauf sich die Parteien einigen werden (können), wird die Politik der nächsten Jahre prägen. Denn aus den Ankündigungen und Versprechen des Wahlkampfs muss erst einmal ein kohärentes – und einigermaßen realistisches – Regierungsprogramm geformt werden.

Wie die Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik in ihrer Forschung zeigt, beeinflussen in Österreich Koalitionsverhandlungen in zweierlei Hinsicht die Umsetzung von Wahlversprechen (definiert als objektiv überprüfbare und in die Zukunft gerichtete programmatische Aussagen in den Wahlprogrammen der späteren Regierungsparteien):

Zum einen haben Wahlversprechen, die ins Koalitionsabkommen übernommen werden, eine deutlich höhere Umsetzungswahrscheinlichkeit. Die Grafik unten zeigt, dass zwischen 1990 und 2013 rund 60 Prozent dieser Wahlversprechen umgesetzt wurden – aber nur 40 Prozent jener, die nicht im Koalitionsabkommen standen.

Zum anderen schlägt sich auch die Ressortverteilung im Politikoutput nieder. Wenn eine Partei etwas verspricht und dann auch das verantwortliche Ministerium zugesprochen bekommt (etwa das Finanzministerium bei Steuersenkungsankündigungen), dann ist die Umsetzungsrate höher (54 Prozent), als wenn eine andere Partei ressortverantwortlich ist (46 Prozent).

Zum Vergleich: Die bloße Übereinstimmung zwischen zwei Parteien (beide versprechen dasselbe) wirkt sich weniger stark auf die Umsetzungswahrscheinlichkeit aus (die Umsetzungsquote steigt von 49 auf 61 Prozent) als das Koalitionsübereinkommen. Inhaltliche Einigkeit in den Programmen ist also weniger wichtig als inhaltliche Einigung in den Verhandlungen – wobei natürlich Erstere Letztere erleichtert. Hinzu kommt noch, dass eine schlechte Wirtschaftslage, geteilte Kompetenzen und vorzeitige Neuwahlen (sollen ja vorkommen) die Umsetzungsraten drücken können.

Gerade deswegen sind die kommenden Wochen entscheidend: Was jetzt in den Verhandlungen fixiert wird, hat deutlich bessere Chancen auf Verwirklichung als das, was nur im Wahlkampf versprochen wurde, jetzt aber unter den Tisch fällt. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 30.10.2017)