Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Leichtigkeit die SPÖ derzeit über ein Vergehen hinwegsieht, das die einst moralisch so gefestigte Arbeiterpartei im Mark erschüttern müsste. Während sich Christian Kern schon in die neue Oppositionsrolle einübt, wird die skandalöse SPÖ-finanzierte Facebook-Kampagne unter den Teppich gekehrt.

Der Hinweis, dass Dirty Campaigning mittlerweile Wahlkampfstandard sei und im Repertoire fast aller Parteien seinen Platz hat, ist zwar nicht ganz falsch, trifft aber trotzdem nicht den Kern der Sache. Die SPÖ hat nicht nur einfach schlecht über Ihre politischen Mitbewerber gesprochen und Gerüchte in Umlauf gebracht, sondern sie hat offenbar eine Kampagne finanziert und gutgeheißen, in der versucht wurde, als Absender die FPÖ glaubhaft zu machen. Sie hat damit gezielt Fake-News in doppelter Hinsicht geschaffen, entgegen allen Beteuerungen und Beschwörungen, die zum politischen Ritual vor Wahlkampfbeginn gehören. Sie hat damit alle Glaubwürdigkeit verloren, was dieses Themenfeld betrifft. Aber darüber hinaus wurden noch weitere Tabus gebrochen. Um den eigenen Absender zu verschleiern, wurden nicht nur Tonalität und Bildsprache der FPÖ imitiert, sondern tief in die Mottenkiste gegriffen, bis hin zur Bedienung von antisemitischen und rassistischen Vorurteilen.

Wenn Kern nach Bekanntwerden der Machenschaften diesen Umstand als Blödheit sondergleichen bezeichnet, wird man ihm wohl recht geben müssen. Die Blödheit entbindet aber nicht von den unangenehmen eigentlichen Fragestellungen, die den ideologischen Kern der Sozialdemokratie betreffen: Wie kann die SPÖ ihren Mitgliedern und Wählern erklären, dass Rassismus und Antisemitismus reale Gefahren sind, die es zu bekämpfen gilt, wenn sie selbst diese Vorurteile gedankenlos im Wahlkampf benutzt? Wie kann die SPÖ jemals wieder glaubhaft gegen rechtsnationale Tendenzen in der FPÖ antreten, wenn sie diese selbst befeuert, um sie dem politischen Gegner in die Schuhe zu schieben? Wie wird sie in Zukunft auf das gern gebrauchte Schlagwort der "Faschismuskeule" reagieren, dem sie damit Vorschub geleistet hat? Wie kann sie vor dem Gespenst der blauen Regierungsbeteiligung und ihres rechten Gedankengutes warnen, wenn sie dieses Gespenst selbst mitkonstruiert hat? Wie glaubwürdig kann sie letztlich in dieser Oppositionsrolle sein? (Severin Heinisch, 27.10.2017)