"Die gut gemeinte Angleichung von Arbeitern und Angestellten erzeugt in für Arbeitnehmer und Arbeitgeber wesentlichen Bereichen des Arbeitsrechts eine gewisse Rechtsunsicherheit."

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Die ganz offenkundig als Wahlzuckerl noch kurz vor der Nationalratswahl im Parlament beschlossene arbeitsrechtliche Angleichung von Arbeitern und Angestellten hat am 25. Oktober den Bundesrat passiert und wird aus heutiger Sicht beginnend mit Anfang Juli 2018 gestaffelt in Kraft treten. Was bringt die Gesetzesnovelle den Arbeitern, Angestellten und Arbeitgebern?

Die Änderungen finden sich vor allem im Angestelltengesetz, im Gutsangestelltengesetz im Entgeltfortzahlungsgesetz sowie im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch. Die damit verfolgte Absicht der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten ist zu begrüßen und längst überfällig. Schon seit Jahrzehnten werden zu einzelnen Unterschieden zwischen Arbeitern und Angestellten berechtigt verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Das deutsche Bundesverfassungsgericht urteilte etwa bereits 1990, dass unterschiedlich lange Kündigungsfristen zwischen Arbeitern und Angestellten unter bestimmten Voraussetzungen gleichheitswidrig sind. So gut die Absicht der Angleichung, so schlecht ist teils die Umsetzung.

Getrennte Betriebsräte

Die Angleichungen betreffen vor allem die Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderungen und das Kündigungsrecht. Eine vollständige Gleichstellung wird aber nicht erreicht. Die grundsätzliche Unterteilung der Arbeitnehmer in die Gruppe der Arbeiter und die Gruppe der Angestellten bleibt bestehen. Das wirkt sich vor allem auf die betriebliche Belegschaftsstruktur sowie die überbetriebliche Interessenvertretung aus.

Obgleich die arbeitsrechtliche Interessenlage der Belegschaft homogener werden soll, bleibt sie als Regel betriebsverfassungsrechtlich weiterhin in einen Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat unterteilt. Es bestand zwar schon bisher die Möglichkeit einen gemeinsamen Betriebsrat zu errichten, in der Praxis geschieht dies jedoch eher selten.

Dies ist wohl auf machtpolitische Überlegungen aber auch auf "psychologische" Widerstände zurückzuführen, die dem Festhalten an oftmals überkommene Identitäten als Arbeiter und Angestellte geschuldet ist. Auch bestehen bei getrennten Betriebsräten mehr Organmandate und somit Freistellungsansprüche und Kündigungsschutz für mehr Personen.

Kündigungsschutz und -Fristen

Bereits in Anbetracht der Beibehaltung der Trennung auf betrieblicher Ebene ist davon auszugehen, dass trotz der partiellen Anpassungen die typische Zweiteilung in Arbeiter und Angestellte wohl auch auf überbetrieblicher Ebene, also in den Kollektivverträgen, bestehen bleiben wird. Auch die Gesetzesnovelle selbst spricht dafür. Der deutlich stärkere Kündigungsschutz für Angestellte bei Kündigungsfristen und -terminen soll zwar ab 1. Jänner 2021 auch den Arbeitern zu Gute kommen. Für Arbeiter können aber weiterhin in Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, durch Kollektivvertrag abweichende, also auch ungünstigere Regelungen festgelegt werden.

Diese Öffnungsklausel ist legitim und trägt den Wünschen der Wirtschaft Rechnung. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung 1990 in diesem Sinne festgehalten, dass das Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität im produktiven Bereich geeignet ist, unterschiedliche Kündigungsfristen zu rechtfertigen. Fraglich bleibt freilich, was in diesem Kontext unter "Branche" zu verstehen ist und wer beurteilen darf, ob in einer bestimmte Branche Saisonbetriebe überwiegen. Überwiegen sie nicht, wäre diese Voraussetzung für eine zulässige abweichende Regelung nicht gegeben.

Für alle Betroffenen besteht somit Rechtunsicherheit was (bestehende) abweichende Regelungen in Kollektivverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge betrifft. Spätestens ab 2021 werden Arbeitgeber aber gut beraten sein, auch in Arbeitsverträgen mit Arbeitern umfangreichere Regelungen zur Kündigung aufzunehmen. Andernfalls kann eine Kündigung nur noch zum Quartal erfolgen.

Probemonat?

Formalgesetzlich gilt die zwingende Bestimmung des § 16 AngG, wonach ein Aliquotierungsgebot für entgeltliche Leistungen jeder Art besteht, weiterhin nur für Angestellte. In der Literatur wird seit Jahrzehnten vertreten, dass diese Bestimmung auch für Arbeiter analog zu gelten habe. Der OGH hat unter Hinweis auf unterschiedliche Arbeitsrechtregime für Arbeiter und Angestellte, also eine unterschiedliche "Ausgangslage", Regelungen für Arbeiter, die vom Aliquotierungsgebot abweichen, mehrfach für zulässig beurteilt. Der Unterschied der Ausgangslage ist durch die Angleichung deutlich kleiner geworden. Damit ist dieser Argumentation der Boden entzogen. Rechtssicherheit werden vermutlich erst die Gerichte schaffen. Bis dahin bleiben die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Unklaren.

Durch die konkrete Umsetzung fraglich ist weiters, ob bei Dienstverhältnissen mit Arbeitern für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs nach dem 1. Jänner 2021 noch ein Probemonat vereinbart werden kann. Nach der neuen und zwingenden Regelung des § 1159 Abs 5 ABGB können Dienstverhältnisse für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs nämlich nur unter Einhaltung einer (zumindest) einwöchigen Frist gelöst werden. Ob der Gesetzgeber diese Unschärfe vor 2021 noch repariert oder auch hier erst Gerichte Rechtssicherheit schaffen, bleibt abzuwarten.

Gewisse Rechtsunsicherheit

Ebenfalls neu ist, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch auch dann weiter besteht, wenn das Arbeitsverhältnis während des Krankenstandes einvernehmlich aufgelöst wird. Der Arbeitgeber muss weiterhin das Entgelt zahlen, wenn der Krankenstand über das Ende des einvernehmlich beendeten Arbeitsverhältnisses hinaus andauert. Damit entfällt der Anreiz für Arbeitgeber, Arbeitsverhältnisse während eines Krankenstandes einvernehmlich zu beenden, um sich so die Entgeltfortzahlung zu ersparen.

Auch wenn diese Bestimmung erst mit 1. Juli 2018 in Kraft tritt, ist Vorsicht geboten. Die Übergangsvorschriften stellen nämlich nicht auf den Vereinbarungszeitpunkt, sondern auf den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ab. Auch einvernehmliche Auflösungen, die vor dem 1. Juli 2018 abgeschlossen werden, können daher von der Neuregelung erfasst sein. Auch die anderen Übergangsvorschriften werfen Auslegungsfragen auf.

Die gutgemeinte Angleichung erzeugt daher in für Arbeitnehmer und Arbeitgeber wesentlichen Bereichen des Arbeitsrechts eine gewisse Rechtsunsicherheit, was im Übergangszeitraum Rechtsvertreter und Gerichte verstärkt beschäftigen wird. (Andrea Potz, Jens Winter, 30.10.2017)