Die Ankündigung klingt nach schonungsloser Aufarbeitung: Einen "Kassasturz" wollen Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache am Tag eins der Koalitionsverhandlungen vornehmen. Schließlich müssten die Regenten in spe wissen, wie es um die Staatsfinanzen steht, ehe die Wählerbeglückung beginnen kann.

Da ist natürlich viel gschaftiges Getue dabei. Die Budgetzahlen sind kein Geheimnis, sondern für jedermann auf der Homepage des Finanzministeriums nachlesbar – da müssen nicht erst Sparstrümpfe umgedreht werden. Oder vermuten Kurz und Strache etwa ein Budgetloch, das die zu allem fähige große Koalition kaschiert hat? In diesem Fall sollte die ÖVP allerdings schleunigst Selbstanzeige erstatten: Sie stellt seit zehn Jahren den Finanzminister.

Ja, die Zahlen gehören ungeschönt auf den Tisch, aber da liegt die Bringschuld bei den Verhandlern selbst. Beide Parteien haben sündteure Wahlversprechen mit Finanzierungsplänen unterlegt, die sich schon bei grober Überprüfung als Scheinrechnungen entpuppen. Meint es die künftige Regierung mit dem "neuen Stil" ernst, könnte sie damit in ihrer Geburtsstunde anfangen: mit einem Koalitionspakt, der nicht nur Profiteure nennt, sondern auch konkret beantwortet, wer am Ende für geplante Steuersenkungen zahlt. Denn eines – so viel Spannung darf zerstört werden – wird der "Kassasturz" am Montag nicht offenbaren: dass irgendwo zwölf Milliarden zum Verteilen herumliegen. (Gerald John, 27.10.2017)