Bei dem Privatkonkurs neu erfahren Schuldner manche Erleichterungen, die Gläubiger wollen mit "strengen Kontrollen" dagegenhalten.

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Wien – In einem Punkt sind sich Schuldnerberater und Gläubigervertreter einig: Nach einem Rückgang in den ersten neun Monaten 2017 wird die Anzahl der Privatinsolvenzen ab Anfang November, dem Inkrafttreten der Erleichterungen für Privatpleitiers, wieder deutlich zunehmen. Weniger Einklang herrscht über das Ausmaß, Creditreform-Chef Gerhard Weinhofer befürchtet etwa 2018 eine Verdoppelung der Fälle auf 15.000. "Alle warten auf den 1. November", kommentiert er den heurigen Rückgang. "Die wahrscheinlich ab dem vierten Quartal stark zunehmenden Insolvenzanträge werden erst im kommenden Jahr wieder zu mehr Privatinsolvenzverfahren führen."

"Das ist auch gut so," kontert Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatung, "genau darum gibt es ja die Reform." Er erwartet nur einen ein- bis zweijährigen Nachholeffekt, danach würde sich die Zahl wieder auf ein "normales Niveau" von jährlich 8.000 bis 10.000 Privatkonkursen einpendeln. In den ersten drei Quartalen 2017 wurden mit 5.653 Fällen um fast ein Fünftel weniger Insolvenzen beantragt. Der Grund liegt auf der Hand: Schuldner wollten seit der Einigung der Regierungsparteien auf ein milderes Insolvenzrecht im Frühjahr dessen Inkrafttreten abwarten.

Die Neuerungen im Groben: Der Versuch eines außergerichtlichen Ausgleichs entfällt künftig, zunächst müssen Schuldner einen Zahlungsplan in der Höhe des zu erwarteten pfändbaren Einkommens der nächsten fünf Jahre anbieten, die Rückzahlung kann sich dabei aber über sieben Jahre erstrecken. Akzeptieren die Gläubiger nicht, kommt es zu einem Abschöpfungsverfahren. Die Dauer wurde von sieben auf fünf Jahre verkürzt, zudem entfällt dabei die zehnprozentige Mindestquote bei der Rückzahlung für den Erhalt einer Restschuldbefreiung.

Allerdings müssen Schuldner nun nachweisen, einen angemessenen Arbeitsplatz auszuüben oder sich anderenfalls zumindest um einen solchen zu bemühen. Weinhofer kündigte in dieser Frage bereits strenges Vorgehen an: "Bemüht sich der Schuldner nicht nachweislich um einen Job, begeht er eine Obliegenheitsverletzung, und das Verfahren ist einzustellen." Im Interesse der Gläubiger würden Gericht und Treuhänder "mindestens einmal im Jahr streng kontrollieren".

Unklare Formulierungen

"Die spannende Frage lautet, was heißt angemessen?", verweist Mitterlehner auf unklare Formulierungen – wozu aus seiner Sicht auch das "Bemühen" um einen Job zählt: "Reicht es, beim AMS nicht gesperrt zu sein, oder muss man zehn Bewerbungen pro Monat vorweisen?" Zur Klärung werde man womöglich Gerichte benötigen. Von dem derzeitigen Versuch, durch Strenge Druck auf die Schuldner auszuüben, würde die Gläubigerseite hinsichtlich des sich abzeichnenden Kontrollaufwandes wahrscheinlich aber ohnedies wieder abkommen.

Ebenfalls rückläufig waren in den ersten drei Quartalen die Firmenpleiten mit 3.924 Insolvenzanträgen – ein Rückgang um sechs Prozent auf Vorkrisenniveau. Als Ursache führt Weinhofer konjunkturellen Rückenwind an: "Umsatz- und Ertragserwartungen zeigen einen seit 2007 nicht mehr gesehenen Optimismus." Trotzdem sieht er aber im Brexit oder möglichen Regierungswechseln in Österreich und Deutschland weiterhin Risiken für die Insolvenzentwicklung. (aha, 30.10.2017)