Präsident Emmanuel Macron sagte in Straßburg, das neue Gesetz wahre den Ausgleich "zwischen dem legitimen Sicherheitsbedürfnis der Bürger und dem Schutz der Grundrechte".

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Premierminister Edouard Philippe (links) und Innenminister Gérard Collomb (Mitte) besuchten am Mittwoch Polizisten im Einsatz vor dem Pariser Eiffelturm. Während des fast zweijährigen Ausnahmezustandes wurden Collomb zufolge 32 Attentate verhindert.

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Präsident Emmanuel Macron reiste am Dienstag persönlich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, um das Ende des Ausnahmezustands zu verkünden. Nach dem schweren Anschlag auf das Pariser Konzertlokal Bataclan im November 2015 mit 130 Toten hatte Frankreich das auf den Algerienkrieg zurückgehende Notrecht aktiviert. Die Polizei konnte Personen unter Hausarrest setzen, Razzien vornehmen und Moscheen schließen, ohne vorgängig um eine richterliche Ermächtigung zu ersuchen.

Zu diesem Zweck musste die Regierung in Paris die Einhaltung einzelner Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtscharta "suspendieren". Humanitäre Organisationen und die französische Menschenrechtsliga übten von Beginn an scharfe Kritik daran. Wegen des Anschlags in Nizza und der Fußball-Europameisterschaft wurde der Ausnahmezustand aber noch mehrmals um sechs Monate verlängert.

Verschärftes Antiterrorgesetz

Macron gelobte im diesjährigen Präsidentschaftswahlkampf, er werde dieses Sonderregime beenden. An dessen Stelle tritt nun ein verschärftes Antiterrorgesetz, das der Polizei fast ebenso weitgehende Kompetenzen einräumt. Ein zentraler Punkt ändert sich allerdings: Hausarrest und Hausdurchsuchungen – neu "Visiten" genannt – müssen wie zuvor von einem Richter abgesegnet werden. Dieser Entscheid ist aber nach Ansicht mehrerer Juristenverbände nur noch eine Formalität, da die Richter kaum mehr Zugang zu den einzelnen Geheimdienstdossiers haben.

Macron sagte hingegen in Straßburg, das neue Gesetz wahre den Ausgleich "zwischen dem legitimen Sicherheitsbedürfnis der Bürger und dem Schutz der Grundrechte". In Umfragen hatten sich fast 80 Prozent der Franzosen für die Beibehaltung des Ausnahmerechts ausgesprochen. Abgesehen von verschärften Sicherheitskontrollen und Militärpatrouillen war die Bevölkerungsmehrheit kaum betroffen. In den Wochen und Monaten nach der Ausrufung des Sonderrechts im November 2015 hatte die französische Polizei 4.000 Hausdurchsuchungen vorgenommen, 600 Personen verhaftet und 700 Personen unter Arrest gestellt. Als Bilanz gab Innenminister Gérard Collomb diese Woche an, während des Ausnahmezustandes seien 32 Attentate verhindert worden. Heute befinden sich noch 41 Personen in Hausarrest.

FN spricht von "schwachem Ersatz"

Nach dem neusten Anschlag in New York sind in Paris sofort Stimmen laut geworden, die Aufhebung des Ausnahmerechts sei ein Fehler gewesen. Der Schatzmeister des Front National, Wallerand de Saint-Just, erklärte, das neue Antiterrorgesetz sei ein schwacher Ersatz. Dagegen meinte die Vertreterin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Dominique Curis, die Polizei brauche mehr Mittel, keine schärferen Gesetze, die zu "willkürliche Razzien um drei Uhr morgens bei unbescholtenen Bürgern" führten, wie die Erfahrung gezeigt habe.

Unabhängig vom Ausnahmerecht haben viele französische Gemeinden von sich aus Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Viele Markt- oder Festivalorte schaffen mobile Poller, um Lastwagenattacken zu verhindern, und bilden ihre Polizei in Sachen Terrorabwehr aus. Vereinzelt erhalten Dorfpolizisten Schusswaffen. Und in Paris wird derzeit um den Eiffelturm eine Panzerglaswand gebaut. (Stefan Brändle aus Paris, 1.11.2017)