Ein Plakat vereint Assad, Nasrallah, Khamenei und Putin: In diesem Teil von Deir ez-Zor ist der IS schon geschlagen. Rechts ein Bild des 2015 vom IS ermordeten Antikenchef Palmyras, Khaled Assaad.

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Wien – Wenn Israel ein Ziel in Syrien – etwa Mittwochfrüh nahe der libanesischen Grenze – angreift, dann macht das in den internationalen Medien kaum mehr Wind. Obwohl Israel dazu offiziell nichts sagt, weiß jeder, worum es geht: um die libanesische Hisbollah, die in Syrien für das Assad-Regime kämpft. Und mit ihm siegt. Aus der schon im Krieg 2006 unterschätzten schiitischen Guerilla ist eine modern aufgerüstete und kampferprobte Armee geworden.

Experten gehen davon aus, dass Israel nicht dulden wird, dass sich die Hisbollah in Syrien breitmacht, und sehen einen neuen bewaffneten Konflikt in der Region als wahrscheinlich an. Dazu passt auch die Rhetorik beider Seiten: Im nächsten Krieg gegen die Hisbollah werde der Libanon nicht die einzige Front sein, sagt Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah warnt: Die israelische Regierung wisse nicht, was sie erwarte, wenn sie sich in diesen "närrischen" Krieg begebe.

Israel und Hisbollah

Die wachsende Kriegsgefahr zwischen Israel und Hisbollah, diese als Stellvertreterin des Iran, ist eine Begleiterscheinung des zu Ende gehenden Kriegs in Syrien. Zwar scheint Russland bei der Neuordnung Syriens die Zügel in der Hand zu haben, aber Akteure innerhalb und außerhalb versuchen ihre Interessen zu wahren.

Und es ist eine komplizierte Gemengelage. Zum Beispiel: Was wird Russland im Falle eines Konflikts Israel-Hisbollah tun? Präsident Wladimir Putin hat soeben bei seinem dritten Besuch in Teheran die guten russisch-iranischen Beziehungen beschworen. Ebenso mischt sich aber Russland bisher nicht ein, wenn Israel gegen die Hisbollah vorgeht. Russland zeigt Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis Israels – hat aber gleichzeitig nicht Israels Forderung nach einer Verdrängung des Iran und seiner Stellvertreter aus Syrien stattgegeben.

Russlands Realpolitik

Dass Russland in einen etwaigen Konflikt vermittelnd einzugreifen versuchen würde, liegt auf der Hand: Aber es gibt auch die Theorie, dass Moskau nicht unzufrieden darüber wäre, wenn jemand anderer die Aufgabe übernähme, Iran in Syrien zurechtzustutzen.

Signale, dass etwas gegen die Hisbollah in der Luft liegt, kommen seit Wochen auch aus Saudi-Arabien. Am Montag hatte Thamer al-Sabhan – der für den Golf zuständige Minister, den Riad jetzt auch für Syrien einsetzt – per Twitter "erstaunliche Entwicklungen" angekündigt. Er verlangte den "Sturz" der "Partei des Satans" (Hisbollah heißt "Partei Gottes", Anm.): Der politische Arm der Hisbollah sitzt ja in der libanesischen Regierung.

Der sunnitische Premier Saad al-Hariri reiste am Montag unvermutet nach Riad. Am Donnerstag fand eine Kabinettssitzung in Beirut statt: spannungsvoll, aber ohne Bruch. Seit Jahren halten sich die libanesischen Parteien an eine Art Burgfrieden. Bei aller Gegnerschaft gegen Iran und Hisbollah: An einer politischen Destabilisierung des Libanon, wo erst 2016 ein zweieinhalbjähriges präsidentielles Vakuum beendet werden konnte, haben auch die USA kein Interesse. Die Hochrisikopolitik Saudi-Arabiens, die sich auch bei der Eskalierung des Konflikts mit Katar zeigte, wird vielleicht nicht von Präsident Donald Trump, aber doch von der US-Diplomatie mit Skepsis gesehen.

Astana, Sotschi, Genf

Derweilen bastelt Russland an den Plänen für eine Neuordnung in Syrien: Die siebente Runde in Astana, wo vor allem Waffenstillstandsfragen verhandelt werden, ging soeben zu Ende. Seit die Einrichtung von "Deeskalationszonen" begonnen hat, sind zwar die Kämpfe zwischen Assad-Regime und Rebellen zurückgegangen, aber die Lebensbedingungen haben sich kaum verbessert: Zuletzt gab es dramatische Bilder hungernder Kinder aus der belagerten östlichen Ghouta.

An den von Russland, der Türkei und dem Iran gesponserten Astana-Gesprächen nehmen Vertreter der bewaffneten Rebellen teil. Die zivile Opposition hingegen wurde von Russland zu einem "Nationalen Dialog" für den 18. November nach Sotschi eingeladen: Nach derzeitigem Stand wird sie nicht kommen, während das Assad-Regime zugesagt hat.

Die Opposition sieht einen Versuch Moskaus, den UN-geführten politischen Verhandlungsprozess in Genf auszubooten. Ein Problem sind aber auch die von Moskau ebenfalls eingeladenen syrischen Kurden: Mit ihnen ringen die Araber – noch auf friedlichem Weg – darum, wer das vom "Islamischen Staat" befreite Raqqa kontrollieren wird. Dass die (PKK-nahen) syrischen Kurden nach Sotschi kommen sollen, bringt auch die Türkei – Partner Russlands in Astana – zur Weißglut.

Geschickt versuchen nun die Russen, zwischen Kurden und Assad-Regime zu vermitteln: Wenn sich Damaskus mit einem föderalen Modell für die Kurden abfindet, könnten sie ins Geschäft kommen. Dass dies wiederum die USA – die die Kurden zum Sieg über den IS in Raqqa geführt haben – nicht freut, liegt auf der Hand. Aber sie werden nicht gefragt. (Gudrun Harrer, 3.11.2017)