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In Österreich leben 54.000 Kinder und Jugendliche in erheblicher materieller Deprivation.

Foto: dpa/Christian Charisius

Binnen zehn Jahren wollte die Regierung die Kinderarmut in Österreich um ein Drittel reduzieren. Dieses Ziel wurde 2006 formuliert und bis heute nicht erreicht. Dazwischen kam die Wirtschaftskrise. Schlagzeilen, wonach jedes fünfte Kind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet ist, gelten somit auch heute. Konkret waren 2016 rund 312.000 unter 18-Jährige betroffen.

Wie man Armut misst

Armut ist aber relativ. Und das sogar per Definition. Denn als armutsgefährdet gilt in Österreich – sowie in der gesamten EU -, wer in einem Haushalt mit weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens lebt. Zum Einkommen zählen nicht nur Löhne und Gehälter, sondern sämtliche staatliche Transferleistungen sowie Pensionen oder Alimente. Das Medianeinkommen liegt genau in der Mitte der rund vier Millionen Haushalte. Die Hälfte verdient mehr, die andere weniger.

Außerdem gelten je nach Haushaltszusammensetzung verschiedene Schlüssel. Die Armutsgefährdungsschwelle für einen Einpersonenhaushalt lag im Vorjahr bei 1185 Euro pro Monat. Für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren lag die Schwelle bei 2487 Euro.

Das Einkommen alleine gibt nur bedingt Auskunft über die Armutsentwicklung. Schließlich rutschen Menschen auch statistisch ab, wenn sie mehr verdienen, die höheren Einkommensgruppen aber noch stärker zulegen. Darum versuchen Armutsforscher Informationen über die allgemeine Lebenssituation der Menschen zu berücksichtigen.

Telefonumfragen

In regelmäßigen telefonischen Umfragen erheben die Datensammler die materielle Situation heimischer Haushalte. Ist ein Auto oder einen Fernseher unleistbar? Ist ein jährlicher Urlaub mit der Familie nicht finanzierbar? Fällt es schwer, offene Rechnung fristgerecht zu bezahlen? Treffen vier von neun kritischen Aussagen zu, spricht man von erheblicher materieller Deprivation (siehe Grafik). Das trifft auf drei Prozent der Bevölkerung zu.

Insgesamt leben 54.000 Kinder und Jugendliche in erheblicher materieller Deprivation. Die positive Nachricht: Obwohl sich bei der Einkommensarmut wenig getan hat, ist der Anteil der von materieller Deprivation betroffenen Jugendlichen von sechs Prozent im Jahr 2014 auf nunmehr 3,5 Prozent gesunken.

Trotzdem wurde laut Statistik Austria das Ziel, die Kinderarmut signifikant zu reduzieren, nicht erreicht, wenn man die Situation vor der Wirtschaftskrise als Richtschnur nehme.

Vorbild Schweden

Im europäischen Vergleich liegt der Anteil armutsgefährdeter Kinder- und Jugendlicher in Österreich unter dem Durchschnitt. Von den positiven Spitzenreitern ist man aber weit entfernt. Laut dem jüngsten Sozialbericht der Europäischen Kommission war das Kinderarmutsrisiko in Österreich dreimal so hoch wie in Schweden. Bei der materiellen Deprivation liegt Österreich auf Platz sieben hinter Großbritannien.

Die Lage der Flüchtlinge spiegelt sich übrigens kaum in den Daten, erklärt die Statistik Austria wider. Die Gruppe ist immer noch klein und für Telefonisten schwer auf Deutsch zu befragen. (slp, 3.11.2017)