Damon Albarn und sein in wechselnden Besetzungen agierendes Comicband-Projekt Gorillaz begeisterten gut 12.000 Besucher in der Wiener Stadthalle.

Foto: Robert Newald

Wien – Damon Albarn war mit seiner Band Blur in den 1990er-Jahren zumindest zu Hause in Großbritannien ein Superstar und in den goldenen Zeiten des Britpop der größte Konkurrent der Großmäuler von Oasis. Später wandte er sich unter anderem diversen Kollaborationen mit afrikanischen Musikern zu, schrieb eine "chinesische" Oper, veröffentlichte Solomaterial. Und er gründete schon 1998 gemeinsam mit Comiczeichner Jamie Hewlett die Cartoonband Gorillaz.

Hinter den vier Comicfiguren 2D, Murdoc, Noodle und Russel konnte Damon Albarn sein im Rampenlicht geschundenes Ego zumindest für einige Zeit verstecken. Eher selten angesetzte Livekonzerte fanden anfangs hinter einer durchsichtigen Leinwand statt, auf die Cartoons und animierte Clips von Hewlett, dem Schöpfer von Tank Girl, projiziert wurden.

Die Musiker, zu denen in loser Anordnung um Albarn als musikalisches Mastermind im ständigen Wechsel auch einmal Mick Jones und Paul Simonon von Albarns großen Vorbildern The Clash gehörten, konnten sich im Zweifel beruhigt zurücklehnen. Kein Arbeitsstress. Öffentliches Fernsehen zählt in größeren Hallen seit Jahren zur finanzintensiven Freizeitbeschäftigung. Fernsehen ist immer stärker als die Realität.

Das späte Wien-Debüt der bis heuer ohnehin einige Jahre stillgelegten Gorillaz legte Albarn nach dem eher enttäuschenden aktuellen "Comeback"-Album Humanz nun als Frontalunterricht mit nur im Hintergrund laufenden Filmzuspielungen an. Mit jungen, schick mit Irokesenfrisur, Stefanie-Sargnagel-Barett oder Gene-Hackman-Gedächtnishut aus French Connection gestylten Begleitern aus der Straßenkampfbedarfsabteilung beim schwedischen Moderiesen an Gitarre, Bass und Schlagzeug sowie zwei Keyboardern und sechs BackgroundsängerInnen startete der in einem gemütlichen Freizeitdress eines ehemaligen US-Marines steckende Frontmann mit dem Song M1 A1. Er beruht im Sinne des ursprünglichen Konzepts der Gorillaz unter anderem auf der Idee des alten Punk-Verlautbarungshaderns Know Your Rights von The Clash und verwendet zusätzlich einen Megafoneffekt auf dem Mikrofon.

Im weiteren Verlauf des zumindest für die vorderen Reihen der Wiener Stadthalle akustisch umwerfenden und ins Becken zielenden Konzerts kombinierte Albarn den rebellischen Gestus der für den visuellen Schöpfer Hewlett typischen Endzeitstimmung mit alten Widerstands- und Befreiungsmusiken wie Reggae und Disco. Free your mind and your ass will follow.

Wackelbilder, Feuerzeuge

Zu sehr viel Peng-peng, Schiffeversenken und Helikopterparanoia in den zugespielten Videoclips der heute schon ein wenig antiquiert aus der Mottenkiste des Rave-Zeitalters der 1990er-Jahre kommenden Comicprotagonisten hörte man etwa in Last Living Souls tiefe, vom Reggae kommende Bässe, schrill gerissene Gitarren und wuchtige Beats. Das wunderbar nostalgische, mit einer Kinderlied-Hookline ausgestattete On Melancholy Hill sorgte zwischendurch neben dem heutzutage obligaten Handydauereinsatz im Bereich verwackelter Bilder, die niemand auf Facebook und Youtube sehen will, für erste ergriffene Feuerzeugeinsätze (es gibt also doch noch Raucher).

Ruhigere Songs wie die minimalistische Ballade Busted And Blue übertünchten manche Schwäche der neuen Elektro- und R-'n'-B-lastigen Songs von Humanz. Sie wurden dank der Gospelchorarrangements und knalligen Computerbeats live trotzdem sehr souverän über die Runden gebracht.

Wirklich überzeugend wurde es allerdings immer dann, wenn etwa die fantastische junge britische Schnellfeuer-Rapperin Little Simz es in der Kiste rappeln ließ (Gastauftritte bei Garage Palace und We Got the Power). Jamie Principle und der in einem silbernen Discostrampler steckende Zebra Katz beschworen in Sex Murder Party den alten Clubklassiker Slave To The Rhythm von Grace Jones.

Bevor der von einer langen US-Tour etwas gezeichnete, aber turnschuhfitte Chef mit dem alten Kiffer-Überhit Clint Eastwood oder Demon Days das Finale eines trotz nostalgischer Untertöne durchaus zeitgenössischen Popkonzerts einleitete, kamen auch noch die alten Blümchen-Hip-Hop-Helden De La Soul aus New York für Superfast Jellyfish und Feel Good Inc. auf die Bühne. Große Freude bei großen Kindern. (Christian Schachinger, 3.11.2017)